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Von Ute Baumhackl

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s sieht, mit gutem Willen betrachtet, eh so halbwegs aus wie ein Schlittenkorb. Ist aber doch der Sicherheitskäfig der Teleskop-Feuerleiter auf einem Fahrzeug der Freiwilligen Feuerwehr von Lima.

Auf dieser Leiter ist dieser Tage Paul Heinz Suarez Gamarra in seiner Lieblingsrolle als Perus vielleicht berühmtester Weihnachtsmann unterwegs, um Kindern Geschenke zu bringen. Klingt ja fast traumhaft: Die Geschenke kommen mit der Feuerwehr! Dabei darf der stattliche Mann mit dem besonders schönen Lockenbart unter der Schutzmaske den Kindern keinesfalls zu nahe kommen: Sie alle sind mit Covid-19 infiziert und wurden gemeinsam mit ihren Familien am Rande der Stadt isoliert.

Der Gebäudekomplex, einst für die Athletinnen und Athleten der Panamerikanischen Spiele gebaut, beherbergt derzeit ausschließlich mit Corona angesteckte Familien – Peru zählt zu den am stärksten von der Pandemie getroffenen Ländern der Welt. Schon mehr als 200.000 Menschen sind an der Krankheit gestorben, auf die Zahl der Einwohner gerechnet ist das die höchste Todesrate der Welt. Eine Folge des maroden Gesundheitssystems in dem Andenstaat. Aber wohl auch eine Folge der tristen Impfsituation im sogenannten globalen Süden. Weil die Infektionen noch immer weiter steigen, hat die peruanische Regierung nun auch jegliche Familienfeiern und Partys zu Weihnachten und Neujahr verboten.

Weihnachtsfreude zu verschenken, ist aber weiterhin erlaubt. (Wie soll man das auch verbieten!) Und Paul Suarez trägt mit seinen bunten Packerln für die Kinder wesentlich dazu bei.

Dabei fühlen sich die Patienten auch auf andere Weise beschenkt. Auf der Isolierstation sei seine Familie von bisher fünf Mitgliedern auf weit mehr angewachsen, hat etwa der Covid-19-Patient Amador Alfaro den Berichterstattern erzählt: „Jetzt gehören auch die anderen Patienten, die Pflegerinnen und Pfleger, die Ärztinnen und Ärzte zu uns.“

Das Foto, aufgenommen Anfang dieser Woche, ist seither weltweit viral gegangen. Vielleicht, weil Paul Suarez auf der Leiter daran erinnert, dass es beim Geschenkemachen oft gar nicht darum geht, was im Packerl steckt. Sondern darum, was man auf sich zu nehmen bereit ist, um überhaupt schenken zu können. In diesem Sinn: ein frohes und gesundes Fest im Kreise aller Lieben!

Foto: AFP/Ernesto Benavides 

hirtenfelder

Von Erwin Hirtenfelder

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tell Dir vor, es ist Weihnachten, und keiner geht hin – weder die drei Weisen aus dem Morgenland noch die Hirten auf dem Felde und auch kein Ochs und Esel. Solch trübsinnige Gedanken könnten einem durch den Kopf gehen, wenn man den fast menschenleeren Hauptplatz von Leoben betrachtet. Mithilfe von Lichterketten wunderbar aufgeputzt, blicken die historischen Fassaden auf einige wenige Passanten herab, die sich zu abendlicher Stunde im Zentrum der Montanmetropole die Beine vertreten. Denn mehr dürfen sie ja nicht. Doch schon bald ist Schluss mit Lockdown, zumindest für die meisten von uns. Dann darf wieder nach Herzenslust geshoppt und Adventpunsch getrunken werden – mit gebotener Vorsicht natürlich, denn Delta und Omikron lauern überall. Rund zwei Milliarden Euro werden die Österreicher auch heuer wieder für Weihnachten ausgeben – eine fast christliche Summe im Vergleich zu den weltweiten Waffenverkäufen, die im vergangenen Jahr mehr als 470 Milliarden Euro ausmachten.

Der Brauch des weihnachtlichen Schenkens geht übrigens auf Martin Luther zurück. Der große Reformator, der gegen jede Form der Heiligenverehrung war, wollte dem Heiligen Nikolo eins auswischen und ließ fortan das Christkind die Packerln bringen. Doch der spendable Bischof aus Myra befüllte weiterhin die Strümpfe der Kinder und erhielt mit dem Weihnachtsmann sogar einen geschäftstüchtigen Zwillingsbruder.

Das Christuskind zu Bethlehem, laut Theologie ein Geschenk Gottes an die erlösungsbedürftige Menschheit, hat auch selbst reiche Gaben bekommen – neben Gold vor allem die beiden Baumharzprodukte Weihrauch und Myrrhe, die sich dank ihrer desinfizierenden Eigenschaften bis heute als brauchbare Mitbringsel empfehlen. Doch auch ideelle Geschenke passen gut unter den Christbaum: etwa „Quality Time“, also bewusst verbrachte Zeit mit der Familie und Freunden, oder ein kleiner Booster zu deren Schutz und Wohlergehen. Wichtig ist laut dem Philosophen Walter Benjamin vor allem eines: „Gaben müssen den Beschenkten so tief treffen, dass er erschrickt.“

In diesem Sinne: Uns allen eine schöne Bescherung mit unverhofften Schrecken und ein dauerhaftes Ende aller Lockdowns, insbesondere jener in den Hirnen und Herzen!

Foto: Foto Freisinger

Susanne Rakowitz, Mitarbeiter, KLZ Digital, am 08.06.2011, Fotopool

Von Susanne Rakowitz

K

önnen Sie ihn hören, den Wind, der um das Haus pfeift und den Schnee auftürmt, höher und immer höher? Und irgendwann ist dann nichts mehr außer dieser Stille, die sich über die Welt legt, wenn es schneit. Kein Straßenlärm und kein Motorengeräusch. Zugegeben, das war jetzt aufgelegt, denn drei Tage lang waren 60 Besucher eines Pubs im Norden von England nach dem Besuch eines Konzertes eingeschneit.

Sie haben zwar keine Herberge gesucht, aber eine gefunden. Und während man sich im „Tan Hill Inn“ mit Karaoke, Pub-Quiz und Brettspielen die Zeit vertrieb, ging die Geschichte um die Welt. „Jackpot!“, kommentierte ein User auf Instagram und sprach das aus, was viele – vielleicht mit einem Lächeln –ganz für sich dachten: Einmal aus heiterem Himmel, wobei dieser hier war schneewolkig, aus dem alltäglichen Hamsterrad gerissen werden.

Raus aus dieser Multioptionsgesellschaft, die mit vielen Möglichkeiten lockt, die sie sich aber auch teuer bezahlen lässt. Bis man mitten im dichten Schneetreiben des alltäglichen Handelns eingeklemmt ist und weder vor noch zurück kann: hier entscheiden, dort handeln, hier erledigen und irgendwann erledigt sein. Alles haben und doch nicht zufrieden sein.

Blicken wir also über diese weiße Schneelandschaft und malen uns einfach was aus: Es kommt alle Jahre wieder eine Zeit, die immer gleich ist. Sie bestückt schon im Oktober die Supermarktregale mit den ersten Vorboten. Und wir wissen, was danach kommt: vier Adventsonntage, also keine Überraschungen. Wir kennen die Strecke, wir kennen die Taktung, wir kennen das Ziel. Warum uns also hetzen? Es geht nicht ums Durchlaufen, es geht ums bewusste Erleben.

Weihnachten also. Das ist ein bisschen wie ein störrisches altes Haus. Unkaputtbar. Die Eckpfeiler vielleicht ein bisschen schief, weil nicht immer alles so glattgegangen ist, wie man es sich vorgestellt hat. Aber es steht. Fest und solide. Und die Inneneinrichtung? Die ist bei manchen ziemlich sicher ziemlich kitschig.

Aber sei es drum, so ist das mit Herbergen aller Art: Sie sind selten schön, also keine sterilen Luxusburgen, die ihre Besucher mit schillernden Marmorböden aufs Glatteis führen. Nein, Weihnachten, das alte Haus, das geht es ruhig an und hält die Tür offen für alle, die ankommen wollen. Und das Hamsterrad? Sorry, aber das passt nicht durch die Eingangstür.

Foto: Tom Rigby / Action Press / picturedesk.com

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Von Bernd Melichar

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üß, nicht wahr? Diese kleinen Fingerchen, die niedlichen roten Backen, die dichten Wimpern und das lockige Haar des friedlich schlafenden Knaben, das unweigerlich an die Zeile eines Liedes denken lässt, das wir in knapp vier Wochen, in einer hoffentlich stillen Nacht, singen werden; die meisten von uns in Sicherheit, mit einem Dach über dem Kopf, einem guten Essen auf dem Tisch und seinen Liebsten in der Nähe.

Bitter, nicht wahr? Von all dem kann dieser Knabe mit dem lockigen Haar nur träumen – und vielleicht tut er das auch. Vielleicht träumt er von einer Welt, in der er nicht in einem „Logistikzentrum“ – ja, so nennen sie das dort – an der Grenze zwischen Weißrussland und Polen in einem Schlafsack liegen muss. Vielleicht träumt dieses Kind – wir kennen seinen Namen nicht – von einer grünen Wiese, auf der es mit einem Ball spielen kann, und von einer Welt, die es nicht zulässt, dass Menschen als Spielball von zynischen Despoten und hilflosen politischen Gemeinschaften missbraucht werden.

Vielleicht träumt das Kind aber auch von seiner fernen Heimat und den bunten Drachen, die von den größeren Kindern in den zuckerlblauen Himmel gezurrt werden, und von den dunklen Rauchwolken, die in diesen Bombenhimmel qualmen, sodass es nicht mehr möglich war, in dieser Heimat zu leben, und die Familie fortgehen musste.

Traurig, nicht wahr? Man kann nicht alle Menschen retten. Man kann nicht alle hineinlassen in die gute, warme Stube, sonst würde es eng werden dort, wenn wir in knapp vier Wochen, in der stillen Nacht, das schöne Lied singen im Kreise der Familie.

Advent bedeutet Ankunft. Es kann nicht jene in einem Logistikzentrum zwischen Ländern und Machtinteressen gemeint sein. Und weil wir es leicht vergessen im vorweihnachtlichen Trubel, hat Papst Franziskus uns wieder daran erinnert: Auch das kleine Jesulein, dieser holde Knabe mit dem lockigen Haar, war ein schutzbedürftiges Flüchtlingskind.

Foto: Imago