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Das Bitcoin-Halving steht bevor | Alles was Sie jetzt über die Kryptowährung wissen müssen

Von Roman Vilgut und Michael Sommer

Der 11. Mai 2020 wurde zu einem weiteren Wendepunkt in der Krypto-Community. Denn zum dritten Mal kam es bei Bitcoin zur Halbierung des „Reward“, der die Belohnung für die Aufrechterhaltung des Bitcoin-Netzwerks darstellt. In der Vergangenheit war das bereits zwei Mal der Fall – mit der Folge, dass die Kurse dramatisch gestiegen sind.

Von vielen wurde dieses Halving daher mit Spannung erwartet. Glücksritter erhoffen sich Spekulationsgewinne wie 2017 und Bitcoin-Enthusiasten sehen den finalen Siegeszug gegen Euro, Dollar und Co. Und im Hintergrund stellt sich die Frage, ob das System überhaupt noch kostendeckend betrieben werden kann.

Aber erst einmal der Reihe nach.

Die Geburt der Bitcoin

2009 ging das Bitcoin-Netzwerk live. Jemand mit dem Pseudonym „Satoshi Nakamoto“ stellte es ins Internet. Die ersten Testtransaktionen fanden vor allem zwischen den Entwicklern der Technologie statt. Nachdem viele anfangs wirklich von einem „Mastermind“ ausgegangen sind, weiß man heute, dass sich hinter Satoshi Nakamoto eine Gruppe von Idealisten – ein Kollektiv – verbirgt, deren Mitglieder weitestgehend unbekannt sind. Ihr Ziel war nichts anderes als die totale Revolution der Weltwirtschaft, das Abschaffen des Geldes, wie wir es kennen. Ihre Kritik richtete sich vor allem gegen Zentralbanken, die aktiv die Geldmenge steuern und Wechselkurse und Inflation beeinflussen. In den Augen von Satoshi Nakamoto ist hier zu viel Macht in der Hand von einer kleinen Gruppe von Personen.

Das Konzept: Statt einer Zentralbank gibt es eine dezentrale Datenbank, welche die Geldmenge und Überweisungen kontrolliert – vollkommen automatisiert. Im Mai 2010 gab es dann die erste echte Transaktion, den ersten Kauf. Zwei Pizzen wurden mit 10.000 Bitcoins bezahlt. Im Juli 2010 startete die erste Bitcoin-Wechselstube und der erste Preis wurde mit 0.05 Dollar festgesetzt.

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Sehen wir uns die bisherige Wertentwicklung des Bitcoins einmal genauer an:

November 2012

Das erste Halving findet statt und die Belohnung für das Betreiben des Netzwerks wird von 50 auf 25 Bitcoin halbiert

November 2013

Die Auswirkungen der Halbierung zeigen sich: Der Kurs steigt binnen eines Jahres von etwas über 11 Dollar auf mehr als 1000 US-Dollar

Juli 2016

Zweites Halving: Der Reward wird von 25 auf 12,5 Bitcoin halbiert

Juli 2017

Innerhalb eines Jahres steigt der Kurs von rund 600 US-Dollar auf über 2500 US-Dollar.
Die Nachfrage ist so hoch, dass Überweisungen langsam werden

Dezember 2017

Der rasante Kursanstieg macht Bitcoin für Finanzspekulanten interessant.

Im Dezember werden Optionen, in Chicago zugelassen. Das führt zum All Time High.

Dezember 2018

Der Höhenrausch findet ein jähes Ende. Bereits Anfang 2018 fingen die Kurse an zu fallen. Im Dezember drückten die Hintermänner von Bitcoin Cash und Bitcoin Vision den Kurs auf unter 4000 US-Dollar.

Mai 2020

Im Vorfeld des Halvings spekulieren viele bereits jetzt auf schnelle Gewinne.
Der Kurs von Bitcoin ist zwar im Steigen, doch vergangene Halvings haben gezeigt:
Der Höhepunkt ist möglicherweise erst in einem Jahr zu erwarten.

Reward, die Belohnung

Um die Überweisungen abzuwickeln, muss ein dezentrales Netzwerk mit kryptografisch verschlüsselten Kassabüchern geführt werden, statt Seiten hat dieses Buch Blöcke. Diese werden verschlüsselt und miteinander verkettet, weshalb das System auch Blockchain, also Blockkette, genannt wird. Die Verschlüsselung der Blöcke geschieht über ein kryptografisches Rätsel, das so komplex ist, dass es dafür einiges an Rechenleistung benötigt.

Jeder kann dieses Kassabuch auf seinem Computer speichern und einen Teil seiner Rechenleistung zur Verfügungstellen. Am Anfang wurden Teilnehmer des Netzwerkes für die Fertigstellung eines Blocks mit rund 3500 Transaktionen, also einer Seite im Kassabuch, mit 50 frischen Bitcoins belohnt. Und den Anfangszeiten genügte dafür wirklich ein normaler Haushalts-PC.

Mining

Dieser Vorgang wird Mining genannt, also Schürfen. Die Miner verifizieren dabei neue Transaktionen. Dabei wird überprüft, ob neue Transaktionen in Ordnung sind und dem Protokoll entsprechen. Dieser Konsens wird automatisch festgestellt und in einem Block festgehalten, der dann verschlüsselt und verkettet wird. Für ihre Dienste bekommen sie Belohnungen in Form von neun Bitcoins.

Diesen Mining-Reward bekommt aber nur derjenige, der das kryptografische Rätsel als Erster löst. Andere Teilnehmer, die mit ihren Computern ebenfalls auf der Suche nach der Lösung waren, gehen dabei leer aus. So lange nur wenige mitmachten, kommt dennoch jeder irgendwann zu Zug. In den Anfangszeiten brauchte man daher keine ausgefallene Hardware, um profitabel schürfen zu können. Die Fehlversuche hielten sich in Grenzen ebenso wie die Stromkosten. Es war ein Geschäft.

Mining-Pools

Die Haushalts-PC sind heute riesigen Komplexen zusammengeschalteter Grafik-Karten gewichen, angesiedelt in Regionen mit geringen Stromkosten. Auch sind die Einzelkämpfer längst sogenannten Mining-Pools gewichen. Gesellschaften, die ihre enormen Rechenzentren zusammenschließen, um so die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, den Reward zu bekommen.

Ein weiterer Grund für diese Zusammenschlüsse liegt an einem fundamentalen Bestandteil des Bitcoin-Protokolls: Es wird maximal 21 Millionen Stück geben. Daher kann es diese Belohnung nicht auf immer und ewig geben. Nach 210.000 Blöcken wird der Mining-Reward daher halbiert – das soll auch die von Satoshi Nakamoto verhasste Inflation der Bitcoin verhindern. Umso wichtiger wird es, diese Belohnung auch wirklich zu bekommen. Und das lässt sich als Mining-Pool einfacher erreichen als alleine.

Dieses Halving-Event hat bisher bereits zwei Mal stattgefunden, am 29. November 2012 auf 25 und am 10. Juli 2016 auf 12,5 Stück. Bis 11. Mai kostete das Minen einer Bitcoin daher zwischen 3000 und 6000 Euro – allerdings nur an Orten mit extrem billigen Strom.

Wo ist dieses Schürfen bis zum Halving rentabel war?

Halbierung

Und jetzt herrscht in der Szene also wieder Aufregung. Viele rechnen nach dem dritten Halving nun damit, dass sich der Kurs der Bitcoin danach wieder massiv bewegen könnte. Tatsächlich kam es nach den beiden bisherigen Events zu einem sprunghaften Anstieg des Bitcoin-Kurses – allerdings ein Jahr verzögert.

Diese Kurssprünge hängen direkt mit dem Halving zusammen. Denn die Halbierung des Rewards macht gleichzeitig das Schürfen neuer Coins schlagartig doppelt so teuer. Miner sind gezwungen, ihre Kosten dementsprechend zu senken. Eine Möglichkeit ist Investition in neue Technik, also schnellere Prozessoren. Im Jahr 2017 hat das sogar dazu geführt, dass leistungsstarke Grafikkarten zeitweise ausverkauft waren. Eine andere Variante ist das Umsiedeln der Mining-Server in Regionen mit einem niedrigeren Strompreis.

Wo ist das Minen kurz nach dem Halving noch rentabel?

Neue Kryptowährungen

Wird es also wieder zu einem massiven Kurssprung nach oben kommen? Das ist gar nicht so sicher.  Erstens war der Preissprung nach der zweiten Halbierung schon deutlich geringer als beim ersten und zweitens hat sich das Krypto-Ökosystem seit Juli 2016 massiv verändert.

Schon zuvor wurde eine neuartige Kryptowährung erschaffen, Ethereum. Das Besondere: Das Protokoll bildet mehr ab als eine einfache digitale Münze, mehr als eine Zeile im Kassabuch. Es kann nämlich kleine Programme beinhalten, sogenannte Smart-Contracts, schlaue Verträge also. Wie das funktionieren kann, lässt sich anhand eines Mehrfamilienhauses mit Photovoltaik-Anlage erklären. Heute erzeugt diese PV-Anlage Strom, der an den Netzbetreiber verkauft wird, welcher wiederum selbst Strom an die Wohnungseigentümer verkauft. Ein Smart-Contract könnte so gestaltet sein, dass der Strom der PV-Anlage bei Bedarf direkt an Wohnungseigentümer geht und automatisch abgerechnet wird. Und zwar mit einem Token, also einer eigenen Kryptowährung.

Und so entstanden in den Jahren nach 2016 tausende neue Kryptocoins, einige ernsthafte Projekte, einige Spaß-Coins und viele Betrügereien. Frei gehandelt werden heute über 5400 digitale Münzen.

Die Top100 Cryptowährungen nach Marktkapitalisierung

Wale und Manipulation

Doch auch bei Bitcoin kam es zu Reibereien. Die massive Nachfrage nach dem Kurssprüngen Anfang 2017 führte dazu, dass Überweisungen oft Stunden dauerten. Davor ging das innerhalb von Sekunden. Das Bitcoin-Netzwerk war Überlastet. Im Streit darüber, wie dieses Problem zu lösen wäre, gründete der Bitcoin-Veteran Roger Ver mit Verbündeten Bitcoin Cash. Später kam es auch in dieser Community zum Streit und Craigh Wright – der von sich behauptet Satoshi Nakamoto zu sein – schuf Bitcoin Vision.

Fest steht Ver und Wright sind seit den frühen Tagen von Bitcoin mit dabei. Niemand weiß genau, wie viel Bitcoin sie besitzen, doch es sind genügend, um den ganzen Markt zu manipulieren, was sie während der Spaltung unter Beweis stellten. Um die eigenen Bitcoin-Kopien zu stützen wurde der Kurs der originalen Bitcoin massiv nach unten gebracht.

Doch das war nicht die erste Kursmanipulation bei Kryptowährungen. Denn mit rund 220 Milliarden Euro Marktkapitalisierung, ist der Kryptomarkt vergleichsweise klein. Für große Kapitalgesellschaften ist es ein leichtes, mit großen Transaktionen den Kurs nach Belieben in die gewünschte Richtung zu führen.

Erstes Halving

Zweites Halving

Erstes Halving

Zweites Halving

Zukunft

Ist die Zukunft der Kryptowährungen dadurch gefährdet? Ja und Nein. Denn den Titel „Währung“ trägt Bitcoin inzwischen zu unrecht. Denn neben der Tauschfunktion hat eine Währung vor allem einen Zweck: Wertstabilität. Und bei den Achterbahnfahrten des Bitcoin-Kurses kann davon keine Rede sein. Als Währung hat Bitcoin daher nur wenig Zukunft, ebenso wie andere Kryptocoins. Als Tauscheinheit für andere Krypto-Projekte wird Bitcoin aber sicher weiterbestehen.

Denn im Bereich der Wertanlagen tut sich im Kryptobereich einiges. Hier gibt es vor allem außerhalb von Bitcoin spannende Entwicklungen. Es entwickeln sich sogenannte „Stable Coins“. Dahinter steckt so etwas wie eine Krypto-Anleihe – oft auf Etereum-Basis. Eine Stable Coin kann beispielsweise mit einem Immobilienprojekt verknüpft sein. Das Protokoll hinter der Coin sorgt dafür, dass die Mieteinnahmen automatisch auf die Besitzer der Coin aufgeteilt werden, ohne Hausverwaltung dazwischen. Beim Kauf und Verkauf dieser neuartigen Kryptoanleihen wird derzeit meist mit Bitcoin gezahlt. Zumindest hier hat die Kryptowährung also eine Zukunft.