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Sommerfrische 2020 | Blitzlichter aus der Redaktion

Von der Kleine Zeitung-Redaktion

#1 Eis, Salz und Wellen

Aus den 800 Quadratkilometern des Salzkammerguts einen Lieblingsplatz zu küren, das nennt man die Brutalität der Beschaulichkeit. Die Gestade des Altausseer Sees blinken verlockend unter den Wänden von Loser und Trisselwand. Ein stiller Badeplatz am Ödensee verheißt Idylle. Im Café Ramsauer in Bad Ischl saßen Johann Strauß und Johannes Brahms, Anton Bruckner und Johann Nestroy. Emmerich Kálmán schrieb in Ischl die „Csárdásfürstin“ und Franz Lehár die „Lustige Witwe“.

So viele Akzente, so viel Inspiration! Womöglich sollte man sich lieber körperlich ertüchtigen. Vom Grundlsee führt der Weg steil hinauf ins Tote Gebirge. Nach 800 Höhenmetern ist man reif für den Sprung in den Vorderen Lahngangsee. Aber schwimmen sollte man können. Anders als weiland die armen Salzschiffer auf der Traun: Die mussten Nichtschwimmer sein. So war man sicher, sie würden auf die Ladung aufpassen wie auf ihr Leben. Und der Arbeitsinspektor!? Schlürfte wahrscheinlich Eis im Ausseer Kurcafé Lewandofsky. Ernst Sittinger

#2 Entzerrte Zeit

Som­mer­fri­sche einst: Ge­sin­de schleppt ge­floch­te­ne Wä­sche­kör­be, breit­krem­pi­ge Hüte und Ganz­kör­perb­ade­mo­de schüt­zen Damen und Kin­der vor pro­le­ta­ri­scher Bräu­ne. Die Män­ner ver­gnü­gen sich der­weil in der Stadt, dem Sün­den­ba­bel. Zeit spielt keine Rolle, man misst sie in Mo­na­ten. Geht das noch?

Som­mer­fri­sche ist die Kunst des Weg­las­sens. Sie ent­zerrt ge­stauch­te Zeit. Ab­seits der Som­mer­fri­sche ist Zeit Geld. Man quetscht sie zu­sam­men, schiebt Er­eig­nis­se, Events über­ein­an­der, reißt die Wände zwi­schen Ar­beit und Pri­va­tem ein, um noch mehr zu ge­win­nen. Auf­merk­sam­keit wird ge­teilt, bis sie ver­bleicht.

Som­mer­fri­sche gibt ge­raff­ter Zeit wie­der Raum. Sie ent­spannt und streckt sich auf ihr na­tür­li­ches Maß. Die Wahr­neh­mung kehrt wie­der. Vögel sin­gen lau­ter, Wäl­der zei­gen tief ge­staf­fel­te Grün­tö­ne. Das Handy brummt laut­los. Es dient jetzt zweck­frei­em Ge­spräch, nicht not­wen­di­ger Ab­klä­rung. Som­mer­fri­sche ist ein Wil­lens­akt: we­ni­ger zu wol­len. Tho­mas Götz

#3 Verlauf des Lebens

Burg Gal­len­stein.“ Was? „Burg Gal­len­stein!“ Wie? „Burg Gal­len­stein!!“ Wie –der Gal­len­stein? Som­mer da­heim, da ge­hö­ren klei­ne Wir­run­gen dazu. Man möch­te fast mei­nen, dass sie dem Wan­dern, Spa­zie­ren, Die-Nä­he-Ent­de­cken den nö­ti­gen Schliff ver­lei­hen. Denn ist man ehr­lich, ten­diert Mensch dazu, sich eher an die klei­nen Un­eben­hei­ten zu er­in­nern. Wenn man etwa auf dem „dep­pen­si­che­ren“ Heim­weg von der Hin­te­reg­ger Alm plötz­lich im Wald steht und sich das Handy mit nicht ein­mal einem Stri­cherl Emp­fang als nicht mehr gnä­dig er­weist.

Wenn man auf der Johns­ba­cher Al­men­run­de zu früh nach rechts ab­biegt und die Almen dann zu Hause be­gut­ach­tet – weil da gibt es ja wie­der ge­nü­gend Stri­cherl beim Emp­fang – „Aaah, da wäre es lang­ge­gan­gen … “ Beim Wan­dern ver­läuft man sich, aber es wer­den auch Pläne ge­schmie­det – auf die man sich durch­aus ei­ni­gen kann. Um­set­zung? Folgt. Zuvor gibt’s ein Stück Torte beim Kaf­fee­haus Pur­ko­wit­zer. Ver­zich­ten? Nicht um die Burg! Gal­len­stei­ne hin oder her. Carmen Oster

#4 Ruhe! Ruhe! Ruhe!

In der ers­ten Hälf­te der 60er-Jah­re be­gan­nen auch die Ös­ter­rei­cher, die Obere Adria für sich zu ent­de­cken. Orts­na­men wie Je­so­lo. Ca­or­le und Li­gna­no nis­te­ten sich in das Wör­ter­buch für Ur­lau­ber ein. Gleich­zei­tig fas­zi­nier­te das Kin­der­buch „Mar­tin gegen Mar­tin“ junge Leser. Er­zählt wurde darin, wie Kin­der des armen, klei­nen Orts Ecken­brunn auf die Idee kamen, per In­se­rat um Tou­ris­ten zu wer­ben, damit der Bür­ger­meis­ter einen Turn­saal zur Schu­le bauen konn­te.

Be­zahlt von ihrem er­spar­ten Ta­schen­geld, gaben die Jung-Dörf­ler die­ses In­se­rat auf: „Ruhe! Ruhe! Ruhe! Som­mer­fri­sche in Ecken­brunn be­deu­tet Ruhe und Er­ho­lung. Kein Laut­spre­cher, kein Mu­sik­au­to­mat, keine Durch­fahrt­stra­ße. Sau­be­re Zim­mer in Bau­ern­hö­fen, gutes Essen im Gast­hof. Sen­sa­ti­on: Kin­der aus der Stadt dür­fen auf dem Feld mit­hel­fen!“

Trotz­dem ge­wan­nen Adria und Ägais Jahr für Jahr die Über­hand, die Som­mer­fri­sche setz­te Staub an. Den sie jetzt wie­der ab­streift. „Ruhe! Ruhe! Ruhe!“ ist wie­der mo­dern ge­wor­den. Chris­ti­an We­ni­ger

#5 Mauersommerloch

Wenn ich als Kind der Generation Golf in Berlin den Sommer beschreiben sollte, habe ich oft gesagt: Sonne? In diesem Jahr? Keene Ahnung, muss ich in der Sekunde wohl in der U-Bahn gesessen haben.

Mein Verhältnis zur Hitze ist eher ein abgekühltes. Rudi Carrell hat seinen Ohrwurm „Wann wird’s mal wieder richtig Sommer“ mit Sicherheit bei mir ums Eck geschrieben. Nässe und Kälte waren so selbstverständlich, dass man den Satz „Sieht nach Regen aus“ gleich sinnentleert verwendete wie die Amerikaner zur Begrüßung die Frage, wie es einem denn so gehe.

Umso mehr plagt mich heute südlich der Alpen das, was andere freudejauchzend stabiles Adriahoch nennen. Woher sollte Carrell auch wissen, was Sonnenschein von Juni bis September wirklich bedeutet? Holländer halt. Immerhin kann ich mich hier auf ein Rad schwingen und ins Umland fahren, dorthin, wo es schattig ist. Klingt selbstverständlich? Wenn die Welt als Kind an einer Mauer endete, ist das noch immer eine besondere Sommerfrische. Ingo Hasewend

#6 Ge(h)dankenverloren

So verseucht durch blutige Ideologien, so verkrätzt durch ehrlose Wortgeschwader; aber jetzt, in der Krise, habe ich mich ihr wieder vorsichtig genähert. Ihr, der lebenslang Verdächtigen, der schwierigen Geliebten, der misstrauisch Vertrauten. Ihr, der Heimat.

Bin im Heimatort, noch immer kriechen die Buchstaben ungelenk von der Zunge, den Wegen vor der eigenen Haustür gefolgt. Bin ge(h)dankenverloren durch grellgrüne Wälder gestreift, in denen die Buchenbäume in weiße Lichtkegel getunkt sind. Bin knorrigen Dorfmännern begegnet, die hutlüpfend einen knappen Gruß knurrten und bekopftuchten Dorffrauen, die hinter meinem Vornamen noch immer das kindliche „i“ hängen.

Habe mich in die Blumenwiese des Vaters gepflanzt und dort beim Naschen des Sauerampfers verzückt das Gesicht verzogen. Habe mich einem verflechteten Wegweiser anvertraut, und die maroden Füße trugen mich zu einem Haus, das die Stille auch im Namen trägt. Habe dort geruht und bin nach langer Reise angekommen. Hier. Daheim. Bernd Melichar

#7 Mischa.

Im Winter lernt man das Skifahren, im Sommer die Lektionen fürs Leben: Trauen Sie also keinem Almidyll, in dem Sie nicht selbst durch die Hölle gegangen sind. Dabei hätte es so schön sein können: Schwammerl bis zum Abwinken, Germknödel, ein Pony. Schwarz, weiß und kompakt wie ein Almpanda. Liebe auf den ersten Blick: Mischa! Der internationale Pakt der Kindchenschematräger war unterschriftsreif, de facto eine g’mahte Wiesn: Also alles, was klein, putzig und erwachsenenhüfthoch ist, ist sich grundsätzlich einmal freundlich gesinnt.

Der Widerruf kam schnell, womit nicht zu rechnen war: Jeder mag Kinder, nur nicht Mischa, da war er sich sicher. Bei der Wahl der Waffen war er auch nicht zimperlich: Hinterhalt und Tücke. Im Beisein von Erwachsenen war er herzallerliebst, unter uns Zwergen war der Kleinste der größte Tyrann – er verteilte mehr Zwicker als Bussis.

Seitdem gilt der Mischa-Effekt: Trau ihnen nicht, den Zuckersüßen! Das gilt nicht für das Himbeerkracherl, aber das ist ja auch picksüß. Susanne Rakowitz

#8 Für Fortgeschrittene

Wörthersee kennt jeder. Schamlos schöne Wasserstelle, die sich selbst ungeübten Sommerfrischlern barrierefrei erschließt. Höhere Ansprüche an Ferienmenschen stellt das Rosental. Dunkelgrüne Sattnitzberge und kalkgraue Karawanken kontrastieren mit den Schattierungen der mäandernden Drau: mitunter rätselhafte Farbspiele, von gewitterumtostem Braun bis zu erfrischendem Türkis. Obwohl von Kraftwerken und Stauseen gezähmt, bleibt sie Kärntens Gewässer-Königin.

Entlang des Flusses ein Radweg, Völker – mit Beginn in Südtirol, Kärnten durchstreifend und in Slowenien mündend – und Individuen verbindend: Radler, Läufer, Spaziergänger, Hundehalter, Kinderwagen-Kapitäne und Nordic Walker üben sich in Koexistenz. Der von Bergen eingefasste Blick nicht einengend, wie manche unken, sondern unbändige Neugierde weckend, was sich wohl dahinter verbergen mag. So tun sich ungeahnte Übergänge ins benachbarte Slowenien auf. Eben Sommerfrische für Fortgeschrittene. Uwe Sommersguter

#9 Gänsehaut

Nie wird sich mir erschließen, wie Menschen dazu kommen, verächtlich von „bacherlwarmen“ Gewässern zu sprechen, die sich „wie eine Badewanne“ anfühlen, nur weil See oder Freibad zufällig einmal eine annehmbare Temperatur zum Schwimmen haben. Ich gebe zu: Ich bin ein Weichei. Eine waschechte Warmduscherin sozusagen. Grinsende Blicke von Mit-Sommerfrischlern, die an mir vorbeiziehen und sich mit provokantem Delfinschwung ins Wasser stürzen, ertrage ich in Würde. Bis zu den Knien habe ich es immerhin schon geschafft. Meist findet sich auch eine Leidensgenossin (Genossen sind selten), die verstehende Blicke mit mir tauscht. Sie weiß, die Härteprobe kommt erst: die Nierengegend aufwärts.

Meine Kinder sind derweil schon längst untergetaucht. Sie gehen ins Eiswasser, als wäre es tatsächlich die heimische Badewanne. Dabei sind wir erst im Freibad. Die wirkliche Herausforderung kommt im August und lässt mich jetzt schon schaudern: Bergsee … Sonja Peitler-Hasewend

#10 Tragbare Schatztruhe

Alle, die es heuer sehnsüchtig an die Strände an der Oberen Adria oder in die Strandbäder der Unterkärntner Seen zieht, kann ich beruhigen: Wir werden uns (wieder) nicht treffen. Urlaub hin, Sommerfrische her: Die richtige Erholung kommt (für mich) nur auf Reisen. Beim Unterwegssein. Wichtigster Begleiter: der Rucksack.

Seit jugendlichen Interrailtouren quer durch Europa immer dasselbe Kribbeln, sobald das Ding aus dem Kasten gekramt und mit dem Notwendigsten für die Zeit „unsteten Aufenthalts“ gefüllt wird. Wobei die Beschränkung Platz schafft für wertvolle Souvenirs: ungeplante Entdeckungen und Zufallsbegegnungen, Alltagserlebnisse und Abenteuer. Das funktioniert überall, egal, welcher Kontinent. Egal, welches Land. Und macht den Rucksack am Ende zu einer Schatztruhe der Erinnerungen. Packt man dann daheim den Rucksack aus, breiten sich Glücksgefühle aus, die nachhaltiger wirken als jeder Sonnenbrand aus Lignano und langsamer schmelzen als das Eis aus der Strandbad-Kantine. Klaus Höfler

#11 Brett gegen Berg

Rechts, links, rechts, links. Die volle Kraft des At­lan­tiks prallt von hin­ten gegen das Surf­brett. Hände an­zie­hen, eine flie­ßen­de Be­we­gung, ge­folgt von einem Mo­ment des frei­en Falls, und schon glei­te ich ste­hend auf der Welle dahin. Pures Le­bens­glück. Die Fas­zi­na­ti­on für den Surf­sport hat mich vor ei­ni­gen Jah­ren in Por­tu­gal er­fasst. Seit­dem zieht es mich immer wie­der in das glei­che ver­zau­ber­te Fi­sch­er­ört­chen. Nach einem lan­gen Tag im Was­ser ein ver­dien­tes „cer­veja“ in der Strand­bar, etwas Live­mu­sik und der Stress des All­tags ist ver­ges­sen. Heuer ist alles an­ders.

Das Warm-up vorm Sur­fen wird zum Warm-up in der Ho­telsau­na. Die Flip­flops wei­chen den neuen Wan­der­schu­hen, der Neo­pren­an­zug der Softs­hell­ja­cke. Brett wird gegen Berg ge­tauscht. Die Surf­sehn­sucht be­glei­tet mich zwar durch den Som­mer, doch wenn ich wie­der einen Gip­fel zu Hause er­klom­men habe und ein Wahn­sinn­span­ora­ma er­bli­cke, ver­ges­se ich sogar den At­lan­tik: Som­mer­fri­sche in Ös­ter­reich? Es gibt wirk­lich Schlim­me­res. Ve­re­na Schaupp

#12 Nie mehr ohne Käse

Ans Meer ging es in den Sommern der Jugend nicht – zu weit weg. Stattdessen: mit dem Zug nach Vorarlberg. Liegt der Oststeiermark weder von der Distanz noch sprachlich näher, doch Tante und Onkel freuten sich über den Besuch des Steirerbuam. Aufstieg auf die Hohe Kugel, Rheintal und Bodensee lagen einem majestätisch zu den müden Füßen, und dann als Stärkung Sennkäse auf der Kugelalpe. Nur, dass für den Steirerbuben Käseverzehr generell mehr Qual war als Genuss.

Und doch müssen sie prägend gewesen sein, diese unbeschwerten Ferientage im Ländle. Alle paar Jahre werden die Erinnerungen wieder sommerlich aufgefrischt: Auf dem Alten Rhein in Lustenau über die Schweizer Grenze schwimmen, sich von den mächtigen Kulissen auf der Seebühne beeindrucken lassen, dem Rheindamm entlang bis ins Mini-Fürstentum radeln. Und als Fixpunkt: übers Bödele hinein in den Bregenzerwald kurven und die Kühlbox vollstopfen mit bestem Käse von den Alpen- und Talsennereien. Wilfried Rombold

#13 Sturmfrisur

Das Gute liegt bekanntlich so nah. Um genau zu sein, 117 Kilometer von Graz entfernt. Gemeint ist der Erlaufsee – beziehungsweise das dazugehörige Strandbuffet mit Bootskasse. Sozusagen der Jachthafen der kleinen Leute, wo über die wirklich wichtigen Investitionen im Leben diskutiert wird: In die Pedale treten oder doch lieber ein Elektroboot chartern? Das Seeufer in sattem Grün, der warme Fahrtwind weht uns durch die Haare. Das ist kein Segeltörn und auch nicht die französische Riviera, aber das macht nichts: Das muss es sein, das schöne Leben.

Wäre da nicht eine unberechenbare Konstante: das Wetter. Der Himmel färbt sich schwarz, das Boot ruckelt im Wind. In solchen Situationen wird Zeit prinzipiell zum Feind und der Ton auf hoher See rauer: Los, lenken, schneller! („Ist das noch Zeitlupe oder schon rückwärts?“) Dass es für die Côte d’Azur nicht gereicht hat, kommt uns in diesem Fall gelegen. In unserem Jachthafen gehört man immer zur Hautevolee – trotz Sturmfrisur. Katrin Fischer

#14 Himbeersoda & Co.

Als ich 14 Jahre alt war, durfte ich noch nicht weggehen. Die Diskotheken rund um den Millstätter See waren damals, vor über 40 Jahren, meine Sehnsuchtsorte, und blieben es auch noch einige Jahre. Ein (elterlicher) Kompromiss war allerdings möglich: Ich durfte einmal in der Woche nachmittags Freunde im „Kleinen Café“ treffen.

Da saßen wir nun ganz stolz, schlürften Himbeersoda und fühlten uns sehr polyglott zwischen all den Sommergästen. Damit der Hauch der großen weiten Welt, uns nicht zu sehr verwehte, hatte „Frau Glader“, die unumschränkte Herrscherin des Cafés, ein wachsames Auge auf uns. Berühmt war das „Kleine Café“ für seine Mehlspeisen und davon ist mir die Marzipan-Kartoffel in besonders genüsslicher Erinnerung.

In den 1980er-Jahren wurde das Café geschlossen, die Zeit blieb stehen. Bis zu diesem Sommer. Das Café ist jetzt eine „Freshbase“ und wird als Pop-up-Store im Retro-Chic bespielt. Und: Ich glaube, es riecht immer noch nach Marzipan- Kartoffel. Andrea Steiner

#15 Mohn Amour

Wer an Sommerfrische denkt, dem kommen zuerst das Salzkammergutmeer, die Postkartenidyllen auf dem Semmering, das nostalgieverliebte Bad Vöslau oder das saftige Joglland in den Sinn. Unterschätzt ist einer der nördlichsten Flecken des Landes: das Waldviertel. Dort, wo die Lieblingssaison das mit der Frische im Sommer stets wörtlich nimmt. Eine wunderbar verwunschene Gegend voller Mohnblumen und den dazu passenden Zelten, Getreidefeldern, sanften Hügeln, den typischen Knödeln, Wäldchen und Flüssen.

In Drosendorf kann man (noch) in einem Schloss übernachten, sich an diversen Flussschleifen der Thaya verirren, zu Ruinen wandern und – außerhalb der Regenzeiten – in der hinreißenden Holzbadeanstalt aus dem Jahr 1926 einchecken. Um dort, wie es im Erlebnisweg Sommerfrische an der Stadtmauer heißt, in Wasser zu baden, das „weich und dunkel“ ist. Und immerfrisch. Mohn Amour, ich komme wieder! Nächstes Mal mit Gummistiefeln und Wollsocken im Gepäck. Julia Schafferhofer

#16 Ferien mit Feuerwehr

Dieser Sommer steht ganz im Zeichen von „Sergeant Pepper“. Nein, damit ist nicht das achte Studioalbum der Beatles gemeint, sondern ein alter Land Rover, der nach mehr als vier Jahrzehnten im Dienst der Freiwilligen Feuerwehr in Petersdorf II in den Ruhestand gefahren ist. Der beschränkte sich bisher auf das Stehen in der Garage und das Warten, bis die neuen Besitzer in Zivil endlich Zeit finden, ein paar Zipperlein des älteren Herren zu kurieren. Und – was soll ich sagen – mit dem Lockdown war die Zeit gekommen.

Der Vergaser, der Zündverteiler, das Lenkgetriebe, die Ventildeckeldichtung: Nichts ist mehr vor unseren ungeübten, aber umso enthusiastischeren Schrauberhänden sicher. Als stabiles Hoch zwischen den kleineren und größeren Katastrophen kraxelt man einfach über die Leiter am Heck aufs Dach und studiert das Reparaturhandbuch. Und am Ende des Sommers, da bin ich mir ganz sicher, wird er endlich wieder fahren. So blöd können wir uns gar nicht anstellen.

Wohin? Das ist zweitrangig. Karin Riess

#17 Rose vom Urbaner See

Sie haben sich im Norden des Sees, dort, wo das Ufer nicht zugänglich ist, angesiedelt und großflächig ausgebreitet, die Seerosen in unterschiedlichsten Farben. Nähert man sich ihnen schwimmend, verschließen sie die Blüte. Oder ist es doch nur eine Mär? Im Näherkommen eröffnet sich die wunderbare Symbiose, die die Seerosen mit den Libellen eingegangen sind. Die kleinen „Hubschrauber“, so erschienen sie uns als Kinder, umschwärmen die Seerosen sonder Zahl.

Herumschwimmen um die Seerosen-Felder mit dem Libellen-Flügelschlag als Begleitmelodie gewährt Einblick in das Wunder Natur. Zwischen den Seerosen-Feldern durchschwimmen? Eine unheimliche Vorstellung. Die langen Arme – Rhizome, wie sie richtig heißen – drohen einen zu verschlingen. Sie beschützen ihre Rose, die auch sonst unter strengem Schutz steht. Den Geheimtipp für den wunderbaren Anblick verraten? Er bietet sich dem Badegast am St. Urbaner See in der Nähe von Feldkirchen, hoch über dem Kärntner Glantal gelegen. Antonia Gössinger

#18 Land der Kurven

Liebevoll geschwungen breiten sich die Rebstöcke vor einem aus. Wie gemalt sind sie in sanfte Hügel gebettet und ziehen den Blick hinein in einen sattgrünen Hang an der Südsteirischen Weinstraße. Hier ist das Leben leichter, die Abende lauer und der Traubensaft süßer. Nur schwer kann man den Blick von den leuchtenden Farben wenden und sich auf das eigentlich Wesentliche konzentrieren. Ein-, zweimal den Kickstarter betätigt und schon geht es weiter entlang auf der pittoresken Strecke.

Kurve um Kurve nimmt die alte Vespa. Ihr Alter ist ihr kaum anzusehen, schließlich glänzt der knallrote Lack unter der südsteirischen Sonne, als würde sie heute ihre erste Ausfahrt antreten. Das leise Knattern des Motors ist aus einiger Entfernung zu hören und der eine oder andere bewundernde Blick eines Spaziergängers ist ihr gewiss. Die Sonne brennt vom Himmel und es ist eng unter dem Helm. Aber das macht nichts, schließlich gibt die nächste enge Kurve den Blick auf ein Bankerl zum Rasten und Schmachten frei. Martina Pachernegg

#19 Riesen und Risse

Liebe auf den ersten Blick war es keine, im Gegenteil. Unbehagen legte sich lange über die persönliche Beziehung zu den Bergen, rarer Austausch war die Folge. Die Angst vor der Höhe fest verankert, in der Körpermitte Schwindel statt Schmetterling. Alm: Ja! Steile Zustiege: Ja sicher nicht!

Erst mit der Zeit – und nach vielen Klettereinheiten am Seil – kam Sicherheit. Die Zuneigung zu den sanften Riesen mit den scharfen Rissen stieg und stieg, würziges Lockmittel wurde die Gipfeljause (Chili-Gurken! Chili-Käse!). Umso süßer schmecken heute die im Kopf bewahrten Erinnerungen. An den Klettersteig auf den Ennstaler Tausing oder das Glühen der Lienzer Dolomiten, zu früher Stunde bestaunt, direkt vom glasumrahmten „Adlerhorst“ der Dolomitenhütte aus. Wem das zu schick ist, sei der Fußmarsch zur rustikaleren Karlsbader Hütte und die Weiterwanderung auf Laserzwand oder Große Sandspitze empfohlen.

Sätze, die vor nicht allzu langer Zeit hier nie gestanden wären. Aber Sie wissen schon: die Schmetterlinge! Markus Zottler


#20 Elementare Liebe

Erich Kästner, ein Großer, hielt einmal fest: Die Erde, ein Stern mit sehr viel Wasserspülung. Ich sage: Gut so! Berge? Beeindruckend, doch sie standen mir stets zu sehr in der Gegend herum. Wasser ist für mich eine andere Dimension. Es schwätzt nie und hat einem doch ewige Epen zu erzählen, verliert sich so schön in sich selbst.

Der Millstätter See, tief, frisch und echt, war das Taufbecken meiner Jugend. Nach wie vor ist eine halbstündige Schwimmeinheit darin ein Erlebnis. Der Grundlsee, lieb und teuer gewordene Entdeckung späterer Lebensjahre, lockt eiskalt: Komm nur rein – wenn du dich traust! Dann die Meere im Norden, wo schiefer Wind dem Festlandmatrosen Gischt in das Gesicht wirft: raue Endlosigkeit. In einem früheren Leben war man womöglich irischer Seemann mit der Füllfeder in der Hand. Wird es zu frostig, an den Ozeanrand setzen – und: schauen. Die Wellenwelt stutzt Mensch auf das zusammen, was er ist: Sandkörnchen im Ganzen. Nicht weniger – aber auch niemals mehr. Thomas Golser

#21 Karibik-Blau

Fast fühlt es sich so an, als läge der Duft des Meeres in der Luft, jener, der nach Freiheit schmeckt und gedanklich fortträgt an einen Ort voll tiefer Entspannung und Seelenfrieden. Er ist die Adria des österreichischen Südens, der ganze Stolz jener, die geblieben sind, aber auch derer, die auszogen, um die Welt zu sehen – der Wörthersee.

Ein Blick hinunter von der obersten Plattform des hölzernen Aussichtsturms, der am Gipfel des Pyramidenkogels thront, zeigt ihn eingebettet in einen Kessel zwischen Berg- und Hügelketten, wie ein flüssiger Saphir, der das Sonnenlicht zurückwirft und ein Spiegel dessen ist, was die Kärntner an ihrer Heimat so lieben. „Du kommst aus einer Postkarte“, hat vor vielen Jahren eine deutsche Freundin über den Wörthersee gesagt. Und es stimmt, denn der See lässt aus jeder Perspektive seine Schönheit erkennen, sei es beim Spaziergang an der Promenade in Velden, beim Sonnenbaden im Strandbad Maiernigg oder beim Spritzer-Genießen im Pörtschacher Jilly Beach. Simone Rendl

#22 Wenig erfrischend

Es ist nicht die Ägäis, so viel steht fest. Zu viele kantige Bergspitzen, zu viel sattes Grün, Kühe statt Eseln, aber Wasser, viel Wasser in allen Blau- und Grüntönen hat auch das Salzkammergut. Der Griechenlandurlaub wurde storniert – man wollte ja kein unnötiges Risiko eingehen – und nun sollte die Sommerfrische Einzug halten. Stattdessen steigt die Nervosität. Und zwar nach dem Urlaub, zu dessen Höhepunkten auch ein Besuch in St. Wolfgang gehört hatte.

Dort ist nun ein Corona-Cluster aufgepoppt und das schlechte Gefühl, das einen bei der Fahrt in der voll besetzten Schafbergbahn beschlichen hatte, als der direkte Sitznachbar seine vorgeschriebene Maske lässig am Kinn hängen ließ, kommt wieder hoch. Kratzt da etwa der Hals? Schnupfen? Mann und Kind? Nein, nur die Allergie … Mittlerweile sind schon über 14 Tage seit dem Besuch vergangen, erleichtertes Aufatmen. Ist nicht einmal mehr die Sommerfrische, was sie einmal war? Doch: wunderschön, wanderbar und ein großes Abenteuer für die ganze Familie. Nora Kanzler

#23 Karibik, so nah

Warum in die Ferne schweifen? Sieh, das Gute liegt so nah.“ Goethes Botschaft bekommt in Zeiten wie diesen geradezu prophetische Bedeutung. Beim Versuch, mein Fernweh mit Reiseberichten in internationalen Medien zu stillen, taucht vielerorts für mich Naheliegendes auf, im wahrsten Sinne des Wortes.

Geradezu hymnisch die Beschreibung des Biosphärenparks in den Kärntner Nockbergen in der deutschen „Welt“. Im Schweizer „Tagesanzeiger“ weckt die Erklimmung der Großglockner-Hochalpenstraße auf einem E-Bike auch meine Lust, den Berg einmal so zu bezwingen. Eine Fotoserie des verträumten Weissensees in einem französischen Onlineportal erinnert mich an den Wanderweg am Ostufer, den ich noch immer nicht gegangen bin. Und dann schwärmt der britische „Guardian“ über einen Geheimtipp für Genießer: die „Karibik der Alpen“. Dort, im türkisfarbenen Wörthersee tauche ich fast täglich ein, also vor meiner Haustüre. So nah und schön kann sich Karibik anfühlen. Michael Sabath

#24 Mamma, Mia ... ist schlecht

Fernweh ist im Grunde ja nichts anderes als ein Konzentrat (nicht) gesammelter Erfahrungen. Und so zog es einen in prä-coronalen Urlaubszeiten in den Süden. Aber: Nicht nur in den Alpen bieten Sommer Frische. Das war die Erkenntnis am fünften Starkregentag auf diesem griechischen Eiland. Zu 10 Grad und Dauerregen (Anfang September!) gesellte sich bald ein Virus, das der gesamten Insel auf den Magen schlug und für Gedränge bloß noch an Toilettenanlagen sorgte: der Norovirus.

Ausgerechnet auf jener Insel, wo alle wegen dieses Abba-Films herumkreischen. Mamma, Mia (ist schlecht)! Muscheltauchen einmal anders. Seit damals: nur noch Norden. Überm Polarkreis sind Schneeflocken im Juni ganz normal, dafür gibt’s Sonne um Mitternacht. Nur heuer nicht. Da pausiert das Zugvogeldasein und man stellt fest, dass es am Schwarzensee in der Kleinsölk auch nicht anders aussieht als im norwegischen Fjord. Und daheim am Hof gibt’s auch noch genug zu erforschen: Auf zur Ackerdemie der Wiesenschaften! Ulrich Dunst


#25 Der Köpfler

Das Schwimmbad zwischen Mühlgang und Fröbelschule in Graz ist seit vielen Jahren planiert (dort ist jetzt der Friedenspark), die Erinnerung daran ist frisch wie das 16 Grad kalte Wasser an jedem Saisonbeginn. Viel altes Holz (immer ein Spal als Souvenir), ein Betonbecken und ein Bademeister, der auch den hitzigeren Gemütern unter den Nachbarskindern Respekt einzuflößen wusste.

Von den Größeren habe ich mir dort das Köpfeln abgeschaut. Das sah so aus: Ich ging in die Hocke, streckte die Arme nach vorn und rollte im Zeitlupentempo vom Beckenrand ins Wasser. Plumps. Was für ein Fortschritt, ja ein Adrenalinkick – einmal nicht mit den Fußsohlen voraus. Okay, bis der Kopfsprung als solcher von den Großen anerkannt war, fielen schon Blätter von den Bäumen.

Als heuer nach dem Lockdown das Ragnitzbad endlich wieder öffnete, tauchte die Anekdote in meinem Kopf auf. Ende Mai, das Wasser 16 Grad. Aber kein Köpfler. Die Erinnerung hatte sich doch wärmer angefühlt. Hannes Gaisch-Faustmann

#26 Unter Stock und Stein

Es war Juli oder August, doch die Sonne hatte uns für einige Tage die Gefolgschaft versagt. Es war stockdunkel, aber deshalb hatten wir schließlich unsere Karbidlampen. Bei sommerlichen Temperaturen um die zehn Grad zwängten wir uns durch enge Gänge über scharfkantige Felsbrocken und Lehmbecken. Vom Rot meines „Schlaz“ – meines Overalls – war nichts mehr zu sehen. Und als wir uns im Biwak nach stundenlangen Entbehrungen völlig erschöpft in unsere Schlafsäcke wickelten, folgte ein tiefer, traumloser Schlaf. Sobald ich das Erwachen in völliger Finsternis und die damit verbundene aufkeimende Panik überwunden hatte, gab es ein karges Frühstück, bevor wir unseren Abstieg fortsetzten – immer tiefer in den Berg. Bald hatte ich jedes Zeitgefühl verloren.

Doch als wir am Ziel waren, in einem steinernen Dom mit funkelnden Sinterwänden und Tropfsteinen, mit dem Wissen, dass nur eine Handvoll Menschen vor uns hier war, waren alle Strapazen vergessen. Bis wir den Rückweg antraten. Matthias Reif

#27 Verkehrte Welt

Der große Umberto Eco hat einmal in einem kleinen Essay Sehnsuchtsorte des postmodernen Menschen entzaubert. Der geniale Semiotiker warf einen Blick hinter die Kulissen von Disneyland, das von Menschen am Laufen gehalten wird, die alles andere als märchenhafte Arbeitsbedingungen vorfinden. So ließe sich auch so manche heimatliche Idylle, wo dem gehetzten Städter das Herz aufgeht, dechiffrieren.

Mit bewundernswerter Beharrlichkeit hat Martin Eberle über Jahre hinweg ein altes Herrenhaus mit angrenzendem Park im provenzalischen Uzès in ein Kleinod der Entschleunigung verwandelt. Im 21. Jahrhundert bestimmen hoffentlich nicht mehr Landesgrenzen, was als Sommerfrische gerade noch durchgeht. Da genügt ein Buch, um im Liegestuhl am Naturteich in Südfrankreich in eine weitere Gegenwelt abzutauchen, während der Hausherr die Zimmer aufräumt.

Übrigens: Ganz oben auf der Liste der Sehnsuchtsorte unseres lieben Freundes Martin steht Graz. Was sonst? Michael Jungwirth

#28 Fremd in den Alpen

Das Comeback auf den Bergen erfolgte spät. Das hatte Gründe, die nicht unmittelbar mit einem fiesen Virus zu tun haben. Als (sehr) junger Wanderer wurden die heimischen Alpen noch unter der elterlichen Obhut erkundet. Davon übrig geblieben sind eine Diddl-Maus und die Erinnerung an einen inflationär nach außen dringenden Mageninhalt auf der Zahnradbahn in Kaprun.

Sommerfrische schmeckt anders. Zur berechtigten Ehrenrettung meiner Eltern: Da sind auch noch Bilder und Gerüche von Almwiesen, kristallklaren Bergseen sowie grasenden Kühen abgespeichert. Jahre nach dem Bahn-Vorfall werden diese wieder aufgesucht, wenn die eigene Festplatte voll ist. Die Alpen mit ihren felsigen Klettersteigen und den Bergmassive empormäandernden Wegen sind nicht mehr fremd. Das Comeback ist geglückt. Mitte August steht deshalb eine zehntägige Wanderung vom Dachstein nach Murau an. Einziges Kriterium dafür war, dass die Route eh ohne Zahnradbahnen auskommt. Kirin Kohlhauser

#29 Traum vom Südland

Den Rucksack gepackt. Das Zugticket gelöst. Ab in den Süden. Die Landschaft zieht am vergilbten Fenster vorbei. Fichten. Föhren. Tannen. Eternit-Dächer. Gartenzwerge. Es wird Nacht, die Augen fallen zu, die Landschaft verändert sich, auch ohne unser Schauen. Schlafwärts. Südwärts. Die Sonne kitzelt beim Aufwachen. Oliven, Granatäpfel, Mimosen. Die Häuser sienagelb, azurblau. „Verità per Giulio Regeni“ auf Bannern, die von Balkonen baumeln. Die Luft riecht nach Thymian und Rosmarin. Irgendwann Salz auf unserer Haut und Sand zwischen den Zehen. Südland.

Anderswo heimkommen. Buongiorno. „Caro amico ti scrivo“ von Lucio Dalla tönt leise aus einem Fenster, dahinter fröhlich-laute Stimmen und klapperndes Geschirr. Meerzeit. Einfach nur Sein-Zeit. Heuer wohl eher nicht so. Stattdessen Nanni Morettis „Caro diario“ oder Paolo Sorrentinos „La Grande Bellezza“ einlegen, ein Glas Campari Orange dazu, mit Röhrl, und sich darüber freuen, dass wenigstens das Heimkino ins Südland führt. Manuela Tschida-Swoboda

#30 Maltatal statt Malta

Wer sucht es nicht: das Paradies auf Erden, Friede, Freude, Eierkuchen, flauschig, alles in Rosa getaucht oder Grün, klebrig süß und natürlich ohne Kalorien und Kariesgefahr. Am besten noch coronafreie Zone. Ja, ich habe es gefunden! Und es ist quasi ums Eck, bei Gmünd im schönen Kärntner Maltatal: der Eselpark.

Blauer Himmel, grüne Wiesen, hohe Berge, frische Luft, und das Beste: Unzählige wuschelige Esel und Alpakas in allen Größen, Formen und Farben, handzahm, menschenfreundlich, friedlich auf einer grünen Wiese weidend laden sie ein zum Dazulegen und Niederkuscheln. Wie im Märchen. Kein Babyelefant weit und breit. Schmusen mit einem 24 Stunden alten Eselfohlen bis zum Abwinken – nichts auf der Welt kann da mithalten. Adrenalinspiegel und Puls sinken blitzartig, der Oxytocinspiegel steigt auf Rekordhoch. Eine Verjüngungskur zum Fünf-Euro-Tarif, denn so wenig kostet das Jahresticket für Erwachsene! Da ist häufiges Wiederkommen garantiert. Heute schon was Besseres vor? Alice Samec

#31 Das ruhige Eck

Das Waldviertel, links oben in Niederösterreich, hat in den vergangenen Jahren ein wenig den Ruf als „Toskana der Wiener“ erworben – jener Ort, an dem sich die Hauptstädter in ihre sanierten Wochenendmühlen verrollen, wenn es in der Stadt unerträglich wird.

Aber keine Angst. Abseits einiger Hotspots (etwa das Kamptal ) ist es alles andere als überlaufen. Es mag 13 Jahre her sein, dass ich einen herrlich heißen Altweibersommer (sagt man das noch?) auf der ruhigsten Weitwanderstrecke überhaupt verbracht habe: jenem Abschnitt des NÖ Landesrundwanderweges, der vom Kraftwerk Persenbeug an der Donau nach Norden bis Heidenreichstein und von dort nach Osten bis Drosendorf führt. Einerlei, ob man das wegen des (gemütlichen) Ostrong-Hügelzugs, des endlosen Weinsberger Walds, der mystischen Moore im Norden, der sagenhaften Thayatäler oder der urigen Wirtshäuser an der Strecke macht: Was dem Waldviertel aus allen Poren quillt, ist die Ruhe. Immer noch. Georg Renner

#32 Rizling, lauwarm

Der Rizling im weißen Plastikbecher, den uns ein trotz Maske sichtbar grinsender Seebär am Ausflugsboot in Istrien auf den Tisch stellt, ist lauwarm. Er schmeckt auch genauso gut, wie sich das jetzt liest, aber hey, er war im Preis inbegriffen. Und was tut man nicht alles, um vormittags um halb elf gleich in Urlaubsstimmung zu kommen.

Mit Erfolg: Der Anblick der Küste tut seine Wirkung, und bei den Liedern der slowenischen Pfadfinderinnengruppe, die das Deck unter uns geentert hat, können wir schon fast mitsingen, nur was die Gruppenleiterin da dauernd in ihr Megaphon brüllt, kann man nicht einmal erahnen.

Auf ein paar Tage am Meer, das man auch einmal zu Österreich gezählt hat, folgt noch ein bisserl Heimaturlaub: nach etlichen Gipfel-Fremdgängen in aller Welt endlich auch den Hausberg bestiegen. Man muss sagen, die Aussicht von dort kann eigentlich alles, wofür man bisher sonst wohin gefahren ist. Und der Wein beim Almgasthof, der ist köstlich – und kleschkalt. Nina Müller

#33 Ewiges Flimmern

Ein gelber, auf einen kleinen Hügel führender Pfad, herausgetreten zwischen grün wuchernden Gräsern, ein paar kleine Bäume, zu jung, um Schatten zu spenden, Wiesenblumen überall. Menschen spazieren den Pfad herunter, Mutter mit Kind und dahinter, weit entfernt, noch ein Paar. Eine perfekte Sommeridylle. Das Bild hat sich eingeprägt, ist aber gewissermaßen nicht real, sondern „nur“ Kunst. Auguste Renoir hat um 1875 „Ansteigender Weg durch hohes Gras“ gemalt. Ein prosaischer Titel für ein Meisterwerk des Impressionismus, ein Bild voll verschwimmender Flächen und Formen, das vor allem das sommerliche Licht und seine Farben festhält.

Das Bild hing bei mir lang im Zimmer. Nicht das Original leider, das ist ja irgendwo in Paris. Aber der Kunstdruck (egal, was man von Kunstdrucken hält) wurde für mich zum Bild des Sommers schlechthin. Sein ewiges Hitzeflimmern vermag selbst im tiefsten Winter einige Sonnenstrahlen auf die Seele zu werfen. Das gute Wetter kommt und geht, die Kunst bleibt. Martin Gasser


#34 Oh Käpt’n, mein Käpt’n!

Was braucht es, um als Kind endlose Freiheit zu erleben? Nicht mehr als einen Ausflug an die Obere Adria und, ganz wichtig: das erste eigene Schlauchboot. Als Kapitän fungiert der Onkel. Er steuert das Gefährt geschickt über die Wellen, spritzt das Wasser über die Kunststoffreling und singt lautstark den Austropophit „Motorboot“ der Kurt Gober Band. Da heißt es: volle Kraft voraus – bei jedem Wellengang! Abends wird der kindliche Wagemut, Poseidon sei Dank, mit einer extragroßen Salamipizza belohnt.

Auch mit zunehmendem Alter und in einem Sommer der Ausnahmezustände wird diesem kindlichen Freiheitsgefühl nachgejagt. Statt einer Woche Adria gibt es einen Wochenendausflug an die Neue Donau. Schnell noch unterwegs ein großes aufblasbares Eis am Stiel gekauft und los geht’s! Zu dritt am schwimmenden Eisstiel hängend bleibt nur noch eines zu tun, nämlich leise zu singen: „Motorboot, Motorboot, rudern tua ich nur zur Not“. Salamipizza, ich komme! Teresa Guggenberger

#35 Das Teichprojekt

Pandemiebedingte Reisebeschränkungen sind mir so was von egal. Meine Großeltern waren vor 50 Jahren so weise, in ihrem Garten, der jetzt meiner ist, einen kleinen Wald zu pflanzen. Mittendrin hängt eine Schwebeliege zwischen zwei Bäumen und lädt zu meiner ganz persönlichen Sommerfrische ein. Zur Abkühlung gibt es auch noch einen Tümpel mit Seerosen – mehr als ein Fußbad ist hier nicht möglich, aber immerhin. Um diese Lacke haben uns unsere wirklich lieben Nachbarn wohl schon länger beneidet.

Heuer hatten sie coronabedingt viel Zeit, und da haben sie begonnen zu graben – und gegraben und gegraben. Das Resultat ist ein kleiner, feiner Schwimmteich – und der liegt direkt an unserem Gartenzaun. Soll heißen: Ich hatte ihn jetzt einen Monat lang voll im Blick. Das hat Nebenwirkungen, die auch mein lieber Mann bei sich bemerkt.

Die Folge: Demnächst beginnen wir bei unserem Tümpel zu graben – und werden graben und graben. Danach bleiben wir vermutlich noch öfter daheim. Daniela Bachal

#36 Stinklangweilig

Es war immer ein Ausflug in die große, weite Welt – und es war ja förmlich eine Weltreise, damals Mitte der 1970er-Jahre, als es hieß „Auf nach Wien“. Nicht zum Sightseeing, nicht als Urlauberin, sondern als Mitfahrerin eines besonderen Taxidienstes: Sommerfrischler nach Aflenz/Kurort zu holen. Ein wunderbarer Ferienjob des großen Bruders als Chauffeur für das örtliche Reiseunternehmen machte das möglich. Tagtäglich wurden damals meist ältere Damen in Wien abgeholt und in die Obersteiermark gefahren. War ein Platzerl frei, durfte ich, die kleine Schwester, ab und zu mit. Und ich verstand nicht, dass man aus Wien wegwollte, um sich in Aflenz und Umgebung wochenlang der Sommerfrische hinzugeben. Stinklangweilig!

Das Älterwerden und Jahre fern der Heimat öffneten aber die Augen für die wunderschöne Gegend im Hochschwabgebiet: Dort zu wohnen, wo andere auch heute wieder Sommerfrische suchen, ist gar nicht stinklangweilig, sondern ein wunderbarer Umstand! Johanna Birnbaum


#37 Waldbaden

Zum Erden den heimischen Wald aufsuchen. Als ärztliches Rezept. Waldbaden, so nennt man das heute. In meinem Fall war es vielmehr ein spontaner Abstecher ins Unterholz. Im Hinterkopf den medizinischen Rat und die Kollegin, die DAS Schwammerljahr herbeischreibt. Passt, denk ich mir. Zack, zack, zwei Fliegen (keine Fliegenpilze!) mit einer Klappe. Mittagessen und verordnete Tiefenentspannung liegen in der Luft. Weit unten im Graben. Zwischen monokulturellen Fichten, kopfhohen Farnen und alles einnehmendem Drüsen-Springkraut. Dort, mit Sicherheit, werden sie sich mir zeigen.

Die Köpfchen noch halb unter Nadeln und Erde vergraben. Jung, knackig. Ich kann sie schon riechen. Benebelt von köstlichen Fantasien – Eierschwammerlgulasch, Parasolschnitzel, resch rausgebratene Täublinge – keiner Spinne ins Netz gehen. Wild gestikulierend über Wurzeln gestolpert. Runtergekommen. Und im Liegen ein Lichtblick. Ein Schwammerl direkt vor meiner Nase. Prädikat ungenießbar allerdings. Barbara Jauk

#38 Das Erbe

Er war ein Zauberer, Schlauchbootkapitän, Rätselfuchs, Märchenerzähler, Ballsportfan, Kartentrickser, Feuerwerksenthusiast, Schachgroßmeister, Witzekönig und Sternderlschauer – aber zuvorderst war er einfach der Großvater, um den mich alle Kinder beneideten. Und drei Wochen im August, in der malerischen Pritschitzer Bucht, hatte ich ihn ganz für mich allein.

Unvergessen die Stunden, in denen der hochdekorierte Schwimmer am Steg stand, schwungvoll gestikulierend, um der Enkelin die richtige Kraultechnik beizubringen. Ich konnte bis Maria Wörth pflügen und jeden Haubentaucher final in die Flucht schlagen – dem Trainer war die Atmung trotzdem noch zu unruhig oder der Daumen falsch gespreizt. Zufrieden grinsen sah man ihn erst, als ich endlich auch den Papa hinter mir ließ.

Wenn ich nächste Woche mit meinen Töchtern in den Wörthersee springe, wird die professionelle Kinderbetreuung im Hotel einen Gutteil ihrer Erlebniswelt prägen. Aber g’scheit kraulen – das lernen sie von mir. Versprochen, Opa! Elisabeth Zankel

#39 Twinni im Ennstal

Eigentlich hätte hier Leichtbekömmliches, Seelenerquickendes, Heimatverliebtes über Sonnenaufgänge im Ennstal serviert werden sollen. Den dortigen flussbegleitenden Radweg in der noch schüchtern durch den Talbodennebel blinzelnden Morgendämmerung entlangradeln, laufen, spazieren – das liefert nicht nur Motive für Postkarten und Instagram-Timelines, sondern auch ein üppiges Glückshormon-Frühstück. Schwer empfehlenswert! Details? Leider. Vielleicht beim nächsten Mal.

Weil die innere Balance spendende Sommerfrische-Exkursion spätestens an der örtlichen Supermarkttiefkühltruhe endet. Neben Twinni liegt da Twinna. Als „Limited Edition“ wird die Schwester des Klassikers angepriesen. Was das ferialglaziale Koordinatensystem ins Wanken bringt, ist die mit Twinna (die, weiblich) mitgelieferte Grundsatzfrage: DAS (sächlich) oder DER (männlich) Twinni? Die Dialektvariante „a Twinni“ sorgt für brüchigen Frieden, während der Ennstalnebel in der hungrigen Morgensonne schmilzt. Klaus Höfler


#40 HerzensHeimat

Den Anfang nahm die ultimative Glückseligkeit mit dem Abdampfen pünktlich um 15.20 Uhr. Gedampft wurde übrigens tatsächlich, jedenfalls auf der Zieletappe. Konstante Reisebegleiter: Würstel durchs Waggonfenster in Selzthal und die Wassermannsage auf Höhe Hieflau im Angesicht der entrischen Gesäuseschluchten. Das mit dem Erz für immerdar war allerdings ein Schmäh, wie wir heute wissen. Damals war Eisenerz eine pulsierende Stadt, in der allenthalben aufgesperrt und eröffnet wurde.

Zugesperrt ist längst nicht nur das legendäre Hochofenbad, sondern so ziemlich alles. In den 1970er-Jahren aber ein Paradies: Bücher satt aus den Händen der zwei herzallerliebsten Bibliothekarinnen, riesige Marmeladekeks aus dem Milchgeschäft am Bergmannplatz, verzehrt im Liegestuhl im Gemüsegarten oder am Leopoldsteinersee, das Konsum-Warenhaus, in dem Kinderherzen höherschlugen. Und über allem die Oma mit ihrem rund um die Uhr Rundumverwöhnpaket. Eisenerz blieb ein Stück Heimat. Ute Groß

#41 „Luxus war das keiner“

Für meine Oma ist das, was wir heute als „Sommerfrische“ bezeichnen, die einzige Art Urlaub, die sie kennt. Meine Großeltern packten in den 1960ern immer im Sommer für drei Wochen ihre Koffer und reisten von Wien mit Bahn und Bus in die Ramsau, nach Vorau oder an den Faaker See. Mein Opa hatte die Unterkunft nach seinem Geschmack ausgewählt, was für meine Oma bedeutete, dass sie oft mit meiner Mutter als Kleinkind auf einem idyllisch (ab-)gelegenen Bergbauernhof saß und allein die Versorgung mit Essbarem schon ein Gewaltmarsch war.

Sie musste dort in der familieneigenen Küche des Bauern mit allen anderen kochen, während mein Opa im Garten lag und die Aussicht genoss. Man hatte ein Zimmer, Klo und Bad am Gang. „Luxus war das keiner, für mich war es auch keine Erholung“, erzählt meine Oma heute mit 96 Jahren im Rückblick. Aber immerhin konnte sie so manchen Sommer etwas mitnehmen: Nach erfolgreicher Schwammerlsuche wurden diese noch im Urlaub für daheim getrocknet. Ein köstlicher Trost. Nora Kanzler

#42 Das Glück der Mitte

Es gibt viele Kulturkämpfe, die im Salzkammergut ausgefochten werden, doch am umstrittensten ist wohl die Seefrage. Wer ist schöner? Der Attersee mit seinem warmen, türkisblauen Wasser und der Uferstraße zum Umrunden? Oder der Traunsee, tief und kühl, inmitten einer imposanten Bergkulisse? Die Lösung liegt, wie so oft, in der Mitte, nämlich bei den Langbathseen. Am Fuß des Höllengebirges verstecken sich die beiden Seen in Bergwäldern. Sie sind tief und klar und obendrein noch wohltemperiert.

Wie schön es dort ist, wusste schon Kaiser Franz Joseph, der sich am Vorderen Langbathsee vor 150 Jahren ein Jagdschloss errichten ließ. Für gewöhnliche Menschen lässt sich das heute am besten mit dem Kanu erreichen. Den vollen Parkplatz lässt man hinter sich und paddelt auf den Brunnkogel zu. Der See liegt ruhig, nur das eigene Boot plätschert. Die Sonne steht hoch, die Grillen geben ihr Hochsommerkonzert. Ein goldener Moment mit einer alten Erkenntnis: In der Mitte liegt das Glück. Veronika Dolna

#43 Der See ist die Nummer 1

Der Sommer ist von Kindesbeinen an mit dem Wörthersee verbunden. Luftmatratze und Sandspielzeug durften im angemieteten Kästchen im Strandbad nie fehlen. Diese Utensilien gehörten einfach zur Standardausrüstung junger Strandbadbesucher in den 1980er-Jahren. In den Schwimm- und Sandspielpausen war oft Balankaspielen angesagt. Und wie wurde das maximale Volumen einer Wasserbombe ausgereizt! Bei der Herstellung derselben war Fingerfertigkeit gefragt. Aber auch hier gilt: Übung macht den Meister.

Gerne habe ich auch den Fischbestand unter die Lupe genommen. Es war faszinierend, den Fischlein bei ihren Runden im Wasser zuzusehen! Dann kam der Sommer, als ich das erste Mal Bekanntschaft mit dem Meer gemacht habe. Das Badevergnügen ist ein anderes – und nicht unbedingt ein besseres, wie ich finde. Fazit: Am Meer ist es schön, an den heimischen Gestaden ist es schöner. Und so bekommt der See gegenüber dem Meer heute noch den Vorzug. Petra Lerchbaumer

#44 Nikita und Meran

Verzeihung. Es kann nicht lange genug Winter sein. Wer zu dieser Minderheit zählt, der sucht im Sommer nach … Alternativen. Die führten in Graz gerne ins Kino. Vor mittlerweile dreißig Jahren war im „Gloria“ die außergewöhnliche „Nikita“ (Luc Besson) angelaufen. Es musste noch der Vorführer überredet werden – und die erste Nachmittagsvorstellung an diesem Badetag lief für einen einzigen Besucher.

Von der Conrad-von-Hötzendorf-Straße aus ging es entweder in die Bürgergasse. Das kleine Musikfachgeschäft dort war, dem alten Gemäuer sei Dank, kühl und obendrein gut sortiert. Praktisch auch, dass es in der Nähe Bars gab. Deren Barkeeper sahen zeitig nach dem Rechten – und spendierten gleichsam über die Straße ein kühles Getränk. Oder es zog einen zur Abkühlung in die Leonhardstraße. In den Meranpark. Der hatte damals zwar die Attraktivität eines Kinderschlepplifts bei Regen, doch gab es dort stets einen freien Schattenplatz. Ideal für Lektüre, gerne über den nächsten Winter. Thomas Rossacher

#45 Sommer, Sonne, Asphalt

Es ist 6 Uhr morgens, die Sonne geht über der Villacher Stadthalle auf und es sind Schulferien. Die Kinder aus einer Siedlung im Villacher Stadtteil Völkendorf sind schon hellwach und ziehen mit Schlägern und Schutzausrüstung bewaffnet durch die Vorstadt. Sommerzeit ist Ballhockey-Zeit. Freilich wird schon bei Tageseinbruch begonnen, um der großen Hitze zu entgehen. Am Landhockeyplatz in St. Martin, einen Steinwurf von „unserer“ Eishalle entfernt, werden bis zur ultimativen Erschöpfung epische Schlachten vergangener Tage zwischen dem VSV und dem KAC nachgespielt.

Wer dabei in die ungeliebte Rolle des Lokalrivalen von der anderen Wörthersee-Seite schlüpft, wird lange und auch nicht immer sachlich im Vorfeld ausdiskutiert. Jene Kinder, die ihre Ferientage im Strandbad am Faaker See verbringen, ernten Unverständnis. Eine Dusche mit der Trinkflasche ist für uns, was für sie wohl ein „Hupfer“ in den See sein muss – nur besser! Gewonnen hat am Ende übrigens immer der VSV … Philip Edlinger


#46 Einsteins Hirn

Mozart, der Mathematiker und Physiker Christian Doppler, Herbert von Karajan – die Stadt Salzburg kann mit großen Persönlichkeiten aufwarten. Mit Albert Einstein wird diese Liste jetzt noch getoppt. Fast ein wenig versteckt im Science Center im Haus der Natur, wo kleine Forscher ihren Wissensdurst stillen, hat der Nobelpreisträger eine vorübergehende Heimat gefunden: Einsteins Gehirn ist auf Sommerfrische in Salzburg, genauer gesagt Schnitt 13 und Schnitt 42 von insgesamt 240 Feinschnitten seines Hirns.

Die Geschichte dahinter ist abenteuerlich: Der obduzierende Arzt, Princeton-Pathologe Thomas Harvey, entnahm nach Einsteins Tod 1955 heimlich das Gehirn und lagerte einen Teil davon in einem Weckglas unter seinem Schreibtisch. Er wollte die neurologischen Grundlagen des Genies erkunden. Nun ist das Gehirn in der ganzen Welt verteilt. Was wir dadurch wissen: Anatomisch gab es keine Besonderheiten. Einsteins Gehirn unterscheidet sich nicht wesentlich von unserem. Nicht einmal scheibchenweise. Gudrun Schaffhauser-List

#47 Verliebt in Wien

Wenn man dort wohnt, wo „andere“ Urlaub machen, will man vielleicht wissen, wo diese „anderen“ eigentlich zu Hause sind. So wurde der Wörthersee gegen Garten mit Pool an der Grenze Wiens getauscht und statt der Tüte mit zwei Kugeln von „Morle“ bei der Steinernen Brücke in Klagenfurt gab es die berühmten Tichy-Eismarillenknödel. Vergnügt lief man durch Prater statt Europapark und anstatt Eseln und Hirschen in Rosegg „Servas“ zu sagen, wurde Tigern, Pandas und Eisbären in Schönbrunn begeistert zugewunken.

Mit der Zeit – denn der für Kärntner kurios klingende „Wien-Urlaub“ wiederholte sich regelmäßig – entstand in der Hauptstadt sogar ein neuer Bekanntenkreis. Dank des gerade erst alltäglich gewordenen Internets hat man es geschafft, in Kontakt zu bleiben. Und das zum Teil bis heute und aus manch flüchtiger Bekanntschaft wurde eine gute Freundin.

Übrigens: Auch der erste Kuss geschah in Wien, dieser Kontakt blieb allerdings nicht bestehen, vielleicht ist das aber besser so … Sandra Müllauer

#48 Magie der Stille

Die Sommerfrühmorgen am Wörthersee. Das denkmalgeschützte Bootshaus des Rudervereins Albatros von 1880. Ein bauliches Juwel. In der altehrwürdigen Bootshalle mein Renn-Einer. Baujahr 1976, Edelholz mit dem bedeutungsschwangeren altgriechischen Namen „Polyphem“ (der Einäugige). Ihn ins Wasser zu heben, um sechs Uhr früh den Bug auszurichten auf den Pyramidenkogel, die ersten Ruderschläge ins spiegelglatte, noch morgendlich unbewegt müde Wasser zu setzen – ein Ritual.

Die Magie ist sofort da. Die durch die im Sog des Alters schwindende Kraft langsamer werdende Ruderbewegung entgegen der Fahrtrichtung. Schlag auf Schlag: ruhig, automatisiert, magisch kontemplativ.

Das Ziel: der Sille, das Strandrestaurant am Wasser in Reifnitz. Wende, das Heck ab der Wallfahrtskirche Maria Wörth wieder in einer Linie mit dem Pyramidenkogelturm ausrichten. Ab Krumpendorf den Bug auf den „Albatros“-Fahnenmasten anvisieren. Heimkommen im Bei-sich-Bleiben. Mein Sommergefühl. Peter Kimeswenger

#49 Fluchtimpuls

Was soll man machen, als Kind kann man sich den Ort, an dem man aufzuwachsen hat, nicht aussuchen. Sommerfrische: Im persönlichen Fall könnte der Begriff ebendort erfunden worden sein. Sanfte Hügel, ein Freibad, die Kirche, die Bauernhöfe, die Plantagen. Jede Woche fuhren die Wirtsleute nach Wien, um Sommerfrischler abzuholen für die Herbergen und die privaten Zimmervermieter. Damals Bad und Klo meistens noch am Gang, dafür reichlich gutes Essen. Und frische Luft!

Ein verheerender Mix, wenn man in so einem Hardcore-Idyll heranwächst. Langweilig und öde. Die nächste Stadt – heute so nah, damals so fern. Jugendliches Leben am Land in den 70ern und 80ern: entweder Assimilation oder Flucht. Letzteres gewählt, hinaus in die weite Welt und die Sehnsucht gestillt auf den Kontinenten; bis heute der Ferne verbunden und dem Heimatbegriff fern. Überraschende Erkenntnis aber: Aus der Distanz ändert sich der Blickwinkel. Und erlaubt späte Versöhnlichkeit. Ist eigentlich doch ganz nett, dort. Andreas Lieb

#50 Urlaubsreif

Zwei Wochen Korsika mit Kindern und dem Wohnmobil, wie schon im Vorjahr, im Jahr davor und … – ja, so lautete im Februar der Plan für diesen Sommer. Im März sah die Welt schlagartig anders aus. Doch die Alternative war rasch gefunden: „Eine Österreich-Tour wär doch was“, meinte Göttergatte. Ausgestattet mit einem losen Plan, einem vollbepackten Wohnmobil, einem Haufen Mundschutzmasken und Desinfektionsmittel fuhren wir los nach irgendwo.

Vom Gewitter in Graz ging es zum Grünen See und nach Mariazell im Regen, über die Schallaburg und Stift Melk im Nebel nach Krems, mit den Rädern nach Dürnstein und Spitz in praller Sommerglut, dann wurden Wackelsteine im Waldviertel geschubst, im eisgekühlten Hallstätter See wurde gepritschelt, die Kaiservilla in Gmunden unter der Führung von Franzls und Sisis Ururenkel bestaunt, das Goldene Dachl in Innsbruck geknipst, die Kitzbüheler Streif hinabgewandert, der Großglockner überquert. Jetzt sind wir alle eins. Reif für die Insel. 2021. Hoffentlich. Alice Samec

#51 Mit allen Sinnen

Die Mutter stammte aus der Obersteiermark. Die Sommer meiner Kindheit verbrachten wir in Mautern. Der süße Duft der Erinnerung aus der Konditorei des Großvaters verharrt bis heute in der Nase. Das Apfelkompott der Omama blieb geschmacklich unerreicht. Und der Marsch auf den Eselsberg an der Hand der Großtante bleibt dem Kind der Stahlstadt Linz unvergessen.

Rauf auf den Berg, den die alte Tante in atemberaubendem Tempo erklomm, ran an die Viecher, deren weniger süßer Duft uns lange vor dem Ziel erreichte, und rein in die Stube des Bauernhauses, zur Ferienfreundin. Das Glück des Augenblicks, das man später oft nicht mehr zu schätzen weiß – mit allen Sinnen wahrgenommen und gespeichert für immer. Der „Wilde Berg“ gegenüber war marketingtechnisch noch nicht erfunden, und die Sommerrodelbahn nicht existent. Wild waren wir selber, und statt der Sommerrodelbahn gab es Purzelbäume die Wiese hinunter. Blaue Flecken als Erinnerung inklusive. Claudia Gigler

#52 Griaß di!

Den klingenden Begriff „Sommerfrische“ malen Ortsnamen in seiner fast noch ärarisch-österreichischen Schönheit aus. Einer ganz besonders. Altaussee, ein Juwel des Salzkammerguts. Mit seinem glitzernden See, eingebettet zwischen Loser und Trisselwand. Den Häusern mit ihren zierlich wirkenden Vorbauten. Den Menschen, die den Sommerfrischlern mit einem herzlichen „Griaß di!“ begegnen. Und den Sommerfrischlern, die versuchen, sich hier heimisch zu machen. So war es immer schon.

Und doch scheint es heuer etwas anders zu sein. Die Beherbergungsbetriebe sind durchwegs ausgebucht, wie auch früher, die Restaurants vielfach ebenso. Jedoch hat es in diesem besonderen Jahr offenbar auch Gäste in das Ausseerland verschlagen, die nicht Sommerfrischler sein wollen, sondern Urlauber, die zwar die Gegend genießen, aber nicht mit ihr verschmelzen wollen. Aus diesen Gedanken reißt plötzlich ein helles „Griaß di“ von entgegenkommenden Kindern. Wie ein Gruß an die Sommerfrische. Christian Weniger

#53 Cremig muss er sein

Also: Ein Sommer ist erst dann ein echter Sommer, wenn … der Richtige auf den Plan tritt! Schwarz muss er sein, kalt, kräftig, lieber Filter als Mokka. Das Eis: natürlich Vanille – ja keine Experimente. Cremig! Kugeln: natürlich zwei! Schlagobers? Logo! (Reichlich, eh klar.) Kaffee und Eis durchmischt servieren? Liegt angeblich im Trend. Mir graut. Die freie Bürgerin will die einzelnen Ingredienzien des herrlichen Gebräus eigenmächtig kombiniert ihrer Bestimmung zuführen.

Die Leidenschaft ist natürlich genetisch bedingt, was soll ich machen. Die Oma hat ihn zur heißen Jahreszeit unterm Kastanienbaum im Gastgarten um die Ecke geschlürft – ihr kleiner Ausbruch aus ihrem damals nicht immer süßen Eheleben. Ich trink ihn auch unter Linden, zur Not sogar unterm gestreiften Sonnenschirm. Zwei Mal war er letztens im Schlürflokal meiner Wahl ausverkauft – das Vanilleeis nämlich. Das war fast so wie fünf Tage Schnürlregen. Beim dritten Mal durfte ich einen vorausreservieren. Sommer gerettet! Nina Koren


#54 Tututut, die Eisenbahn

Ich gehöre zu jenen Menschen, die gerne mit der Eisenbahn fahren. Und das meine ich wörtlich. Denn so rasant eine Zugfahrt mit dem ICE oder Railjet auch ist, so sehr bin ich ein Pufferküsser und ein Liebhaber von in die Jahre gekommenen slowenischen oder besser tschechischen Zuggarnituren. Dort, gleich hinter der ersten Klasse, gibt es einen Speisewagen und dort betritt man wie über eine Geheimtür die Vergangenheit. Gardinen verzieren Fenster, hinter denen die Landschaft gemütlich vorbeizieht.

Und während deutsche und österreichische Bordküchen etwas servieren, was an Astronautennahrung erinnert (und bei den Preisen an einen Mondflug), wird bei Slowenen und Tschechen noch richtig gekocht und frisch gezapft. Knödel und Braten etwa und dazu ein Schwarzbier aus Prag. Überteuert ist in den Plüschsesseln und am Tisch mit Tuch ein Fremdwort. Gibt es einen schöneren Weg, um nicht laufend zu genießend? Meist übrigens allein mit dem Kellner. Die kommen einem nach Jahren fast vertraut vor. Ingo Hasewend

#55 Sonnenbrand

Der obligatorische Urlaub am Meer, in weit entfernte Länder, war heuer aus bekannten Gründen nicht möglich. Kein Strand, kein jährlicher Sonnenbrand. Stattdessen standen der Mondsee und Zell am See am Programm. Letzteres mit geplanten ausgedehnten Wanderungen – in der umliegenden, wunderbaren Bergidylle. Doch das ruhige Alpenflair wurde teils durch laute Eventstimmung unterbrochen. Massen, die in Richtung Gipfel gondeln und in Schickimicki-Lokalen (wohin ist die gute Almhütte samt Kaiserschmarrn verschwunden?) überteuerte Haubenküche konsumieren. Rundum wird Abenteuer geboten – mit Klettersteigen und Mountainbikestrecken. Allesamt untermalt mit Bars und lauter Musik. Die Spaßgesellschaft zu Gast am Berg.

Dann doch lieber die Seele im sanften Wellenwasser baumeln lassen. Auf einem kleinen Boot am Mondsee, mit traumhaftem Panoramablick und viel Ruhe. Da nimmt man sogar den Sonnenbrand in Kauf. Denn der gehört ja offenbar dazu. Na, wenn das keine Urlaubsstimmung auslöst?! Michael Kloiber

 


#56 Plätscher, plätscher

Diese Regelmäßigkeit im Unregelmäßigen, sie lässt einen verweilen, auf ein Muster hoffen, optisch, akustisch. Man will messen, erfassen, in ein Schema pressen. Wann setzt die Wiederholungsschleife ein? Nach zehn Sekunden, einer Minute oder gar einer Stunde? Man wartet und beobachtet, wie der Strahl aus dem Brunnen plätschert. Vergeblich. Das Wasser sucht sich einen immer neuen Weg, hinein in den ausgehöhlten Baumstamm, der das Wasserbecken vor der Almhütte bildet. Manchmal unterbricht der Strahl, Tropfen brechen aus. Doch es plätschert ohne Unterlass. Früh am Morgen, wenn der Tau noch vom gelben Klappertopf perlt, ebenso wie spät am Abend, wenn hoch über dem Berg Sterne sichtbar werden, die im Schein der Lichter einer Großstadt verblassen.

Und am nächsten Morgen? Da ist das Plätschern immer noch da. Immer noch unerfassbar. Und erinnert daran, dass es Dinge gibt, die man nicht aufhalten kann, die man dankbar hinnehmen sollte. Thomas Cik

#57 Des Campers Lohn

Herr Biedermeier macht jetzt also Urlaub im Wohnwagen. Früher war Camping nur im Zusammenhang mit Rockfestivals eine akzeptierte Nächtigungsform, damals noch richtig laut und dreckig. Nun freut man sich, in kühlen Sommernächten (davon gab es heuer leider zu viele) bequem die Gasheizung aufdrehen zu können und das geräumige Vorzelt hält Stürmen und Wolkenbrüchen (davon gab es heuer leider auch zu viele) locker stand. Das ist der Lohn des Campers für den schweißtreibenden Kampf gegen widerspenstige Zeltgestänge, Spanngurte und Heringe.

Aber nicht nur das: Boden-, Weißen-, Faaker- und Wolfgangsee, das Aichfeld, Thermenland, Sulmtal und die Südweststeiermark von der Wiesenparzelle aus zu erkunden eröffnet völlig neue Perspektiven. Zwanglosigkeit bestimmt Menüplan, Tagesablauf, Abendgestaltung und Garderobe, von den Fernsehnachrichten gibt es Trennung auf Zeit, das Bier in der Kühlbox geht nie aus. Wen wundert’s, dass dieses Campingding so boomt? Wilfried Rombold

#58 Almrauschen im Kopf

Halten Sie sich eine Muschel ans Ohr, hören Sie dann das Meer rauschen? – Ich höre nur ein dumpfes, leises Grollen, das wohl kaum meine Sehnsucht nach peitschenden Wellen stillt. Dieser Sommer hatte aber eine Lektion für mich übrig. Auf einem Almurlaub nahe meiner Haustür habe ich begriffen, dass es nicht die laute Gischt braucht. Meist ist es das Leise, das der Seele Nahrung gibt. Tage ohne Uhr, ohne Pflicht. Nur Herzensstunden und Sterne schauen. Aufstehen mit dem Gefühl „ich muss nicht“, Kaffeetrinken bis in die Unendlichkeit, dem knisternden Feuer lauschend.

Keine Pumps. Nur Wanderschuhe, sie kennen den Weg zum Glück, marschieren einfach los. Nicht denken, nur gehen: Serpentine für Serpentine. Der Schritt wird langsamer, der Herzschlag schneller, die Seele weiter, bereit zum Flug. Am Almboden unterhalb des Tschiernocks in den Nockbergen hat meine Seele die Schwingen gespannt, als ihr Blick auf meine Heimat – das Maltatal – fiel. Das Rauschen ihrer Flügel ist unvergessen: „Almrauschen.“ Nicole Kari

#59 Diese Filzkugel

Seit ich den Tennisschläger hinter mir „herschleifen“ konnte, drehten sich die Sommermonate um die gelbe Filzkugel. Ich schaute als kleiner Knopf kaum übers Netz, doch das hinderte mich nicht, den Ball ins gegnerische Feld zu knallen. Bei gefühlten 50 Grad auf der Tennisanlage der DSG Concordia seiner Leidenschaft nachzugehen, zeugt von dementsprechendem Ehrgeiz. Während sich andere am See vergnügten, stand ich am Court. Es hat Spaß gemacht, vom Trainer gedrillt zu werden. Wir Kinder wurden stets umsorgt, niemand war alleine und zum Balgen war immer wer da – als Mädel war Durchsetzen angesagt.

Es war Ivan Lendl, der mich in seinen Bann gezogen hatte. Ich war der Typ, der sich zwar gewisse Dinge abschaute, am Ende setzte sich dann aber doch der eigene Kopf durch. Es waren prägende Jahre zwischen Siegen und Niederlagen, die zeigten, wie wichtig Fairness ist und dass man auch anderen etwas gönnt. Täuschen und Tarnen ist nicht mein Ding – Tennis geht aber immer. Trainerstunde gefällig? Denise Maryodnig

#60 Das Haus meiner Mutter

Jenen Ort, an dem meine Mutter Kind gewesen ist, gibt es nicht mehr. Das gerahmte Schwarz-Weiß-Bild ihrer Familie vor dem niedrigen Bauernhaus, meine Mutter lachend in der letzten Reihe, links unter dem Baum die Bierflaschen auf dem Holztisch – es ist kein Platz, an den man zurückkehren kann. Pirk wurde damals, vor 59 Jahren, geflutet. Ich kann am Ufer stehen, über den breiten Stausee blicken und überlegen, wo das Elternhaus meiner Mutter damals gestanden hat (etwas abseits des Dorfes, sagte sie mir) und wo die Kirche. Viel mehr, das man einordnen müsste, gab es ohnehin nicht.

Und jetzt, in Zeiten wie diesen, gibt es tatsächlich Menschen, die hierher einen Ausflug machen. Nein, nicht die Alten, nicht die Insider. Vom Campingplatz am anderen Ufer steuern sie auf den versunkenen Ort zu, betrachten das Marterl, das an das kleine Dorf meiner Mutter erinnert. Dass damals in Pirk die Apfelbäume schöner und kräftiger wuchsen als anderswo, ist dort leider nicht zu lesen. Michaela Kanatschnig

#61 Uhrzeit der Urzeitkrebse

Es war in den 1980ern Pflichtlektüre: das Yps-Heftl. Essenziell dabei war der Gimmick, diese oft sinnbefreite Zugabe. Einmal kam dieses Extra als Sackerl. Mit der Aufforderung, Urzeitkrebse selbst zu züchten und diese dann auf Sommerurlaub zu schicken. So versprach es zumindest das Titelblatt. Kleine behaarte Tierchen machten sich da mit Rucksack auf den Weg, um die weite Welt in ihrem Miniaquarium zu erkunden. Einige dieser Krebse trugen Schuhe. Andere Masken. Diese verfehlten anno dazumal ihre Wirkung nicht. Ja, sie wirkten. Deprimierend nämlich.

Dennoch wollte man den Krebsen unbedingt Sommerfrische spenden, sie zum Leben erwecken. Also rein damit in ein Gefäß mit Wasser. Der Zuchterfolg? Bescheiden. Denn Krebs wurde nicht ein einziger geboren. Entstanden ist bloß eine grün-braune Kloake. So brodelte wohl die Ursuppe des Universums. Die Uhr war für die Urzeitkrebse abgelaufen, ehe sie zu ticken begann. Das Futter, beigelegt erst dem nächsten Yps, war überflüssig. Christian Penz

#62 Bildungslücken

Die Einfahrt unseres Ferienhauses musste neu geschottert werden. Ich bat meinen Nachbarn Hermann – einen gestandenen Bauern – um Hilfe. Sogleich fuhr er mit dem Traktor vor und drückte mir eine Schaufel in die Hand. Nebeneinander begannen wir, Schotter auf die Ladefläche des Anhängers zu schaufeln. Doch schon bei meiner zweiten Ladung hielt Hermann inne, sah mich nachdenklich an und sprach die unsterblichen Worte: „Du hast aber no ned vül g’schaufelt in dei’m Leben!“ Dann zeigte er mir, wie es geht: nicht aus den Oberarmen heraus, sondern mit den Schenkeln. „Sonst bist du nach drei Minuten tot.“

Da erkannte ich die Grenzen meiner Bildung: Ich habe gute Schulen besucht, an der Uni studiert – aber schaufeln, das konnte ich nicht. Hermann, der nur acht Jahre Volksschule hatte, wusste überhaupt viel mehr als ich. Über den 600 Meter entfernten Nachbarbauern sagte er: „Seine Frau lässt eam nicht mehr zuwi- liegen.“ Aber gut. Hermann besaß halt auch den besseren Feldstecher. Ernst Sittinger

#63 Süße Früchte

Umzüge haben ihren Preis – das gilt nicht nur für Finanzen oder die Nerven. Häferl, die ohne Henkel aus dem Umzugskarton kullern, Regalbretter, die in der neuen Wohnung partout nicht mehr ins Regal passen. Demgegenüber stehen die unverwüstlichen Umzugsbegleiter – einer davon lebt seit Jahren in einem zentnerschweren Topf, hat sich von Stadt A nach Stadt B und wieder retour umsiedeln lassen, ist laut Etikett ein Mirabellenbäumchen – nur Früchte gab es noch nie. Bis heuer: In der Hängematte – eine Neuzugezogene in unserem Hausrat – auf der Terrasse schaukelnd in der Frühlingssonne sah ich sie das erste Mal: kleine grüne Früchtchen an den Ästen des treuen Baumes.

Den ganzen Sommer über hatten wir uns hängend – ich in der Matte, sie am Baum – im Auge, jetzt schmecken die hellgelben Früchte so süß wie noch kein Obst zuvor. War der Vorenthalt der süßen Früchte in den vergangenen Jahren die Strafe für das unstete Leben, dann sagt die reife Mirabelle in der Hand wohl: Hier will ich bleiben. Sonja Krause

 


#64 Abenteuer-Spielplatz

Heuer sind sie besonders hoch gewachsen, die Silostängel, bis zu drei Meter. Vor über 50 Jahren wurde der Silo halb so hoch. Ein hervorragendes Versteck beim „Kriegspielen“ mit den Kindern aus dem Nachbardorf waren die Äcker dennoch. Wir hatten noch keine Ahnung, was Krieg im wirklichen Leben bedeutet. Rohnsdorf gegen Weitensfeld, samt Gefangenen und Überläufern, das war – um Qualtinger zu zitieren – Brutalität im Kärntner Glantal. Nichts für schwache Nerven der Eltern, sie sehnten das Ferienende herbei.

Heute gehen die Ferien zu Ende. Der Großneffe schwankt vor seinem morgigen ersten Schultag zwischen freudiger Erwartung und ein bisserl Respekt vor dem, was auf ihn zukommt. Letzte Chance, nochmals – bewaffnet mit Schutzbrillen – unseren Silo-„Urwald“ zu durchstreifen. Auch, weil sich der Häcksler angesagt hat. Möge dem kleinen Buben unsere gemeinsamen Abenteuer dieser Tage in Erinnerung bleiben!

Die Sommerfrische weicht dem Herbst. Antonia Gössinger