Interaktiver Rückblick | Die Ibiza-Affäre und ihre Folgen
Die Ibiza-Affäre rund um den ehemaligen FPÖ-Parteichef Heinz Christian Strache gilt als einer der größten Skandale in der Geschichte der zweiten Republik. Nachdem der Spiegel und die Süddeutsche Zeitung sieben Minuten an unscharfem Videomaterial des Ex-Vizekanzlers und seines Schützlings Johann Gudenus im Gespräch mit einer vermeintlichen russischen Oligarchin veröffentlichten, geriet die österreichische Politik aus dem Gleichgewicht. Die Folgen sind allseits bekannt.
Während ein Jahr später die gerichtliche und parlamentarische Aufarbeitung noch immer im Gang ist, hat sich vieles geändert. Österreich wird von einer türkis-grünen Regierung durch die Corona-Krise manövriert, Strache hat seinem „vollständigen Rückzug“ den Rücken gekehrt und die FPÖ hält, angeführt von Norbert Hofer und Herbert Kickl, in den Sonntagsumfragen lediglich bei 12 Prozent.
Jene Umfragen zeigen teilweise bemerkenswerte Korrelationen zwischen politischem Geschehen und der Zustimmung in der Bevölkerung für eine Partei. Mit diesen Sonntagsumfragen erzählen wir die Ereignisse der Causa-Ibiza einmal anders. Scrollen Sie sich interaktiv durch die wichtigsten Ereignisse und entdecken die Zusammenhänge:
Juli 2017 Kurzurlaub auf Ibiza
FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und Klubobmann Johann Gudenus gönnen sich einen Kurzurlaub auf Ibiza. In der Villa mit dabei: eine vermeintliche russische Investorin, mit der unter anderem über Staatsaufträge im Gegenzug für Millionenspenden und eine Übernahme der „Kronen Zeitung“ geplaudert wird.
April 2019 Böhmermann lässt grüßen
Auf der Romy 2019 lässt Satiriker Jan Böhmermann mit einer kryptischen Videobotschaft aufhorchen.
17.5.19 Ein Video, das alles verändert
„Spiegel“ und „SZ“ veröffentlichen ein heimlich gefilmtes Video des Treffens auf Ibiza. Die Wogen in der heimischen Politik gehen hoch.
18.5.19 Ende für Türkis-Blau
Nur einen Tag später treten Strache und Gudenus zurück. Am Abend kündigt Bundeskanzler Sebastian Kurz die Koalition mit der FPÖ auf.
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19.5.19 Neue Wahlen, neuer Chef
Bundespräsident Alexander Van der Bellen spricht sich nach einem Treffen mit Kurz für Neuwahlen im September aus. Die FPÖ erklärt Verkehrsminister Norbert Hofer zum Parteichef.
20.5.19 Ministerriege geht
Kurz will Kickl entlassen, daraufhin tritt auch die restliche blaue Ministerriege zurück. Zwei Tage später stellt Kurz seine Übergangsregierung vor, die von Van der Bellen angelobt wird.
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26.5.19 FPÖ verliert überschaubar
Bei den EU-Wahlen fährt die ÖVP einen Triumph ein, die FPÖ verliert nur überschaubar. Strache, der am letzten Listenplatz kandidierte, erhält 44.750 Vorzugsstimmen.
27.5.19 Regierung wird gestürzt
SPÖ, FPÖ und die Liste JETZT bringen mit einem Misstrauensvotum in einer historischen Nationalratssitzung die Regierung zum Sturz.
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03.6.19 Erste weibliche Kanzlerin
Van der Bellen lobt das Kabinett von Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein an. Es besteht aus zwölf Mitgliedern und bleibt bis zur Angelobung der neuen Regierung im Amt. Erstmals übt eine Frau dieses Amt aus.
12.6.19 Weg frei für Neuwahlen
Der Nationalrat beschließt vorgezogene Neuwahlen. Im Juli wird dann der 29. September als Wahltermin fixiert.
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23.9.19 Spesen-Affäre
Nachdem die FPÖ alles getan hatte, um sich von Strache abzugrenzen, wird kurz vor der Wahl die Spesen-Affäre publik. Die Staatsanwaltschaft nimmt Ermittlungen auf.
29.9.19 FPÖ stürzt ab
Die Freiheitlichen stürzen bei der Nationalratswahl auf 16,2 Prozent ab, ein Minus von fast zehn Prozentpunkten. Großer Gewinner ist die ÖVP, aber auch die Grünen legen zu.
1.10.19 „Völliger Rückzug“
Strache verkündet seinen „völligen Rückzug“ aus der Politik und wird von FPÖ-Chef Norbert Hofer suspendiert.
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10.11.19 „Echte Verhandlungen“
ÖVP und Grüne beschließen nach einer Phase der Sondierung in „echte“ Regierungsverhandlungen zu treten.
11.12.19 U-Ausschuss
SPÖ und NEOS bringen im Nationalrat den Antrag auf Einsetzung eines „Ibiza-Untersuchungsausschuss“ ein.
12.12.19 DAÖ wird gegründet
Drei FPÖ-Mandatare gründen die DAÖ – und wollen mit Strache bei der Wien-Wahl antreten.
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13.12.19 Goodbye Strache
Die FPÖ bricht endgültig mit Strache. Der langjährige Obmann wird aus der Partei ausgeschlossen.
1.1.20 Neues Jahr, neue Regierung
ÖVP und Grüne einigen sich nach langen Verhandlungen am Neujahrstag auf ein gemeinsames Regierungsprogramm.
7.1.20 Angelobung
Bundespräsident Alexander Van der Bellen lobt die türkis-grüne Regierung an. Damit hat Österreich erstmals eine Bundesregierung mit Beteiligung der Grünen.
26.2.20 Strache tritt an
Nach langem Hin und Her verkündet Strache, für die DAÖ bei der Wien-Wahl antreten zu wollen und damit in die Politik zurückzukehren.
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Methode
Als Sonntagsfrage versteht man eine Umfrage, die die aktuelle Wahlabsicht der Bevölkerung abbilden soll. Sie hat als Methode zur empirischen Wahlforschung etabliert und soll das aktuelle Meinungsbild der Bevölkerung abbilden. Sie ist jedoch nur bedingt zur Prognose des tatsächlichen Wahlergebnisses geeignet. Es gibt für diese Erhebungen verschiedene Möglichkeiten, wie z.B. Online- oder Telefonbefragungen, aber auch persönliche Interviews und kombinierte Studien.
Die von uns verwendeten Daten stammen von der Plattform Neuwal, welche öffentlich zugängliche Wahlumfragen sammelt und zur Verfügung stellt. Der Großteil der Sonntagsumfragen in diesem Datensatz wurden von Instituten wie Research Affairs, Unique Research oder Market durchgeführt.
Wir haben diese Umfragen für diese Geschichte auf die Ergebnisse der Parteien ÖVP, SPÖ, FPÖ, GRÜNE, NEOS und DAÖ reduziert sowie Ergebnisse an Tagen mit mehreren Umfragen kombiniert. Dies geschah durch das arithmetische Mittel – auf eine Gewichtung nach Studienbefragten wurde verzichtet, da die Verwendung der Daten in dieser Geschichte nur Illustrations-Zwecken dient.
Die in dieser Geschichte verwendeten Ereignisse rund um die sogenannte „Ibiza-Affäre“ wurden redaktionell von der Kleinen Zeitung und den Autoren ausgewählt und stellen keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sollte Ihnen jedoch ein wichtiges Ereignis fehlen, so freuen wir uns über ihr Feedback unter interaktiv@kleinezeitung.at
Natürlich gibt es nicht immer eine klare Korrelation zwischen politischen Geschehen und Veränderungen in den Sonntagsumfragen. Wie die Geschichte veranschaulicht, musste die FPÖ beispielsweise erst durch die „Spesen-Affäre“ wirklich heftige Einbrüche in der Zustimmung der Bevölkerung hinnehmen, nicht aber durch das Bekanntwerden der Geschehen auf Ibiza. Es kann auch davon ausgegangen werden, dass die Grünen nicht nur auf Grund der Ereignisse auf besagter Balearen-Insel derart an Popularität gewinnen – viel mehr war vermutlich einer der wärmsten Sommer seit langem ein Grund dafür.