Tarifdschungel, zu wenige Ladestationen, Warnungen der Industrie: Der E-Auto-Boom läuft Gefahr eingebremst zu werden. Wie Energie-Anbieter jetzt gegensteuern wollen.
Von Didi Hubmann und Uwe Sommersguter
Gehören Sie auch zu den E-Mobilitätsnutzern, die schon draufgezahlt haben? Weil sie keinen Vertrag mit dem Lade-Anbieter hatten und teurere Tarife zahlten, Roaminggebühren zwischen den Anbietern unterschätzt haben, oder, weil versprochene Ladeleistungen nicht abgerufen werden konnten, Sie länger an der Ladesäule hingen, aber nach Zeit abgerechnet wird? Dann willkommen im Club. Der Durchbruch der E-Mobilität verheddert sich im Tarifdschungel, der ein einfaches Aufladen, vulgo Tanken, wie man es bei den Verbrennern kennt, unmöglich macht. Selbst in Österreich sind ohne entsprechende Verträge zwischen den Anbietern Roamingkosten fällig.
Liest man etwa die Tarife der Wien-Energie-Ladekarte im Partnernetz (Roaming), sieht man: Für AC-Laden mit 43 kW zahlt man statt 15 Euro 27 Euro pro Stunde. Die unterschiedlichen Vertragsmodelle der Lade-Anbieter erinnern an Handyverträge. Unterschiedliche Grundgebühren beinhalten unterschiedliche Ladetarife, ohne ein genaues Ausloten des eigenen Mobilitätsverhaltens zahlt man drauf. Der Vergleich zwischen den Anbietern und ihren Ladetarifen ist laut Markus Kaiser, E-Mobilitätsexperte beim ÖAMTC, jedoch „nur schwer umsetzbar“. Die Gesetzgeber wüssten seit Jahren davon, ohne dass dagegen etwas unternommen wird.
Abgerechnet wird oft nach Zeit, also nach Minuten und Stunden, und nicht aufgrund der Energiemenge, die man abruft. „Es gibt keine eichrechtlich zugelassenen Energiezähler, und die Zeit unterliegt nicht dem Eichrecht“, erklärt Kaiser den Hintergrund. Damit werde ein „einfacher Überblick weiter erschwert“. Während in Deutschland das Wirtschaftsministerium durchgreift und ein einheitliches Bezahlsystem für Ladepunkte ab 2023 verordnet, hat man in Österreich noch keine einheitliche Lösung gefunden.

E-Auto-Tankstelle in Klagenfurt ©Markus Traussnig
Und der zähe Ausbau der Ladepunkte bereitet der Autoindustrie weiteres Kopfzerbrechen. BMW-Chef Oliver Zipse betonte: „In Deutschland sollen 2030 rund sieben bis zehn Millionen elektrifizierte Fahrzeuge auf den Straßen unterwegs sein. Weil jedes Auto geladen werden muss, bräuchte man insgesamt etwa acht bis elf Millionen Ladepunkte – davon eine Million öffentliche“, so Zipse. „Für diese Größenordnung müsste man ab heute jede Woche 15.000 private und etwa 1300 öffentliche Ladepunkte in Betrieb nehmen. Davon sind wir leider weit entfernt. Meine größte Sorge ist es in der Tat, dass unsere Elektroauto-Offensive durch den mangelnden Ausbau der Ladeinfrastruktur gebremst wird.“ In Österreich schaut es aktuell so aus: Rund 8000 Ladepunkte zählt man, laut Kaiser finden sich in Wien rund 1400 Ladepunkte, in der Steiermark über 650, in Kärnten rund 340. Das bedeutet, das auf einer Fläche wie Wien mehr Ladepunkte zur Verfügung stehen als in der Steiermark und Kärnten gemeinsam.
Urs Harnik, Sprecher der Energie Steiermark hält dagegen: „Wir haben in der Steiermark über 1000 Ladepunkte – die Ladepunkte im halböffentlichen Raum, also bei Projekten mit Gemeinden oder Betrieben, sind nicht miteinbezogen. Wir haben 3,5 Millionen Euro in die Verdichtung des Ladenetzes investiert.“ Harnik erklärt, man fokussiere sich auf die Lade-Hotspots, wo viel geladen werde. Hier gehe es jetzt darum, nachzurüsten. „Wir haben in den nächsten fünf Jahren 600 Millionen Euro für die Verstärkung und Modernisierung der Netze vorgesehen.“ Damit die Leistungen überhaupt den zu erwartenden Ansturm schaffen können. 80 Prozent der E-Auto-Besitzer würden derzeit zuhause oder in der Arbeit nachladen – das wird sich ändern, wenn mehr Private umsteigen. Ein weiterer Fokus: Mehrparteienhäuser/Tiefgaragen wo die Gesetzeslage bei bestehenden Bauten schwierig sei. Ein Veto reiche für die Ablehnung. Die Mobilitätskarte der Energie Steiermark sei aktuell für 15.000 Stationen in Europa anwendbar, mit vier Tarifen, für unterschiedliche Mobilitätsprofile.
Am zweitwenigsten Ladepunkte, Schlusslicht ist das Burgenland, bietet Kärnten. Landesenergieversorger Kelag sieht darin aber kein „Nachhinken“: „Derzeit gibt es genug Ladepunkte für alle Autos, die es in Kärnten gibt“, sagt die Produktgruppenverantwortliche für E-Mobilität in der Kelag, Petra Hofmann. Die Kelag selbst ist ein Anbieter von mehreren und betreibt 79 AC-Ladepunkte (11 kW). Bei höherer Ladeleistung wird die Luft dünner: Neun Standorte bieten 50 kW, sechs Standorte betreibt die Kelag mit mindestens 150 kW. „Der Ausbau findet selektiv statt. Ein Ladepunkt kostet im Schnitt 100.000 Euro, ein sehr hohes Investment, das sich erst rechnen muss“, sagt Hofmann. Es gelte, sich auf Autos vorzubereiten, die mehr Strom ziehen und Ladepunkte auf 150 bzw. 300 kW aufzurüsten. Da 80 Prozent der Ladevorgänge ohnehin zu Hause oder am Arbeitsplatz stattfinden, seien Ladepunkte und ein Lastmanagement die großen Herausforderungen: „Das Einrichten neuer Ladepunkte ist ein laufender Prozess.“