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Demenz-Erkrankungen | Wie Forscher aus Graz Diagnose und Prävention vorantreiben

Von Norbert Swoboda und Michael Sommer
Das Projekt "SCOBES-AR" erforscht Präventionsmethoden von Demenz

Die demografischen Zahlen sind eindeutig – und auch jeder Bürger sieht und erlebt es im eigenen Umfeld: In den westlichen Ländern verschiebt sich die Alterspyramide langsam hin zu den „älteren Semestern“. Immer mehr Menschen erreichen ein hohes Alter. Leider nehmen damit auch die kognitiven Störungen zu: Die Zahl der Demenzerkrankten steigt. Vor allem deshalb, weil Menschen älter werden und bei rüstiger Gesundheit ein hohes Alter erreichen aber dann eben Demenzausfälle erleben.

Sehen wir uns daher die Altersstruktur der aktuellen österreichischen Bevölkerung einmal genauer an:

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Hier sehen wir die momentane Altersstruktur der österreichischen Bevölkerung mit Stand 2019.

Die Höhe der gelben Türme symbolisiert jeweils die Anzahl von Personen selben Alters.

Die höchsten Türme entstehen durch die 50 bis 55-Jährigen – die meisten Menschen in Österreich sind nämlich  1964 geboren und heute 54 Jahre alt.


Was ebenfalls auffällt: der deutlichen Abfall der Geburten seit dem Jahr 2000.  

Sieht man sich Prognosen für 2050 an, so altert unsere Gesellschaft weiter und die gesamte Kurve flacht ab, verschiebt sich allerdings deutlich nach rechts.

Im direkten Vergleich wird deutlich: 2050 gibt es deutlich mehr Menschen über 60, als heute.

 

Durch das Wachsen dieser Bevölkerungsgruppe, steigt auch der Anteil an altersbedingten Krankheiten in Österreich.

2019 waren rund 1.9 Prozent der Bevölkerung in unserem Land von Demenz-Erkrankungen betroffen.

Damit liegen wir über dem OECD-Schnitt von 1.5 Prozent, jedoch noch unter dem Wert von Deutschland.

In 30 Jahren sind laut Prognosen fast doppelt so viele Menschen in Österreich von Demenz betroffen – nämlich 3.6 Prozent.

Damit schließen wir beinahe zu Deutschland auf, dort liegt der Anteil 2050 bei 3.7 Prozent.

Dies entspricht einem Plus von 1.7 Prozent im Vergleich zu heute – knapp 330.000 Menschen in Österreich sollen dann an Krankheiten wie Alzheimer oder vaskulärer Demenz leiden.


Ein Problem, das die Wissenschaft beschäftigt.

Derzeit zeigt sich in der Bevölkerungspyramide eine Art „Buckel“ bei den jetzt 50- bis 55-jährigen, die sogenannte Babyboomer-Generation, welche bis in die 1960-er-Jahre geboren wurden. In 30 Jahren, also in genau einer Generation, wird dies zu einer „Schulter“ der 80-Jährigen führen, die tendenziell öfter an Demenzerkrankungen leiden werden. Prognosen des OECD sagen etwa eine Verdoppelung des Anteils an Demenzkranken an der Gesellschaft voraus. Zugleich sinkt allerdings die Zahl der Jungen, die im Bereich der Pflege tätig werden könnten. Zwar ist Österreich laut OECD-Bericht hier im internationalen Spitzenfeld zu finden, es gibt jedoch Länder, die noch größere Herausforderungen vor sich haben. Korea, Japan, Spanien oder Portugal sind laut den Prognosen am stärksten betroffen.

Man weiß, dass mit Präventivmaßnahmen einiges beim Thema Demenzerkrankungen erreicht werden kann. Aber heutige Tests setzen erst ein, wenn die Erkrankung bereits ausgebrochen ist.
Von SCOBES-AR-Projektleiter Wolfgang Straubmann

Die Grundfrage des Projektes „SCOBES-AR“ ist daher klar: Wie kann man sich anbahnende kognitive Störungen so früh entdecken, dass Präventivmaßnahmen noch greifen können? Damit tatsächlich Wirkungen erzielt werden können, müssen die Maßnahmen nämlich auch breitenwirksam angewendet werden.

Demenz-Forschung mit Hilfe von Virtual Reality

Ausgangspunkt der Überlegungen ist, dass es bestimmte körperliche Veränderungen gibt, die bereits stattfinden, bevor man noch von einer kognitiven Störung sprechen kann. Schon lange ist bekannt, dass die Veränderung des Geruchssinns ein Indiz für eine mögliche Demenzerkrankung sein kann. Auch eine Veränderung im Gang kann auf eine mögliche Veränderung im Gehirn hinweisen. Solche Änderungen könnten also als „Marker“ dienen und zeigen, ob jemand ein hohes Demenz-Risiko hat.

Mehr über das Projekt


Das Gesamt-Projekt „Scobes-AR“ (der Name steht für „Smart Cognition and Behavior Screening powered by Augmented Reality“) wird vom Forschungsförderungsfonds FFG mit 1,2 Millionen Euro unterstützt. Knapp zwei Dutzend Personen sind während der fünfjährigen Laufzeit involviert.

Die Untersuchungen finden zum Teil im „Health Perception Lab“, einem Labor für gesundheitsrelevante Sensorikforschung, und  dem Sportwissenschaftlichen Labor statt. Mittelfristig sollen daraus echte Testsysteme entstehen. Derzeit sucht man noch rund 200 Probanden für die oben erwähnten Tests.

„Es gibt eine Reihe von Präventivmaßnahmen, von denen man weiß, dass sie eine Erkrankung zumindest stark verzögern können“, sagt Staubmann. Wüssten also ältere Menschen bereits, dass die konkrete Gefahr einer Demenzerkrankung besteht, könnten sie sich darauf einstellen und würden kognitive Übungen machen. „Wir wissen, dass Menschen sehr an solchen Prognosen interessiert sind“, so Staubmann.

Das Problem: Bisherige Testbatterien liefern erst Aussagen, wenn es sozusagen bereits zu spät ist. Im Zuge von „SCOBES-AR“ soll nun untersucht werden, welche Handlungsmuster sich dazu eignen würden. Für sich genommen, sagen kleine Auffälligkeiten zunächst noch nicht viel aus, doch kombiniert könnten mehrere Abweichungen von der Norm zu einem sehr wirkungsvollen Warnsystem – einem sogenannten „Marker“ – werden. Die Tests sollen dabei praktikabel und möglichst günstig sein, damit man sie breit anwenden kann: in Altersheimen oder Ambulanzen.

Deshalb sind in dem interdisziplinären Projekt allein an der FH Joanneum Graz ein halbes Dutzend Studien- bzw. Fachrichtungen involviert: Diätologie, Logopädie, Ergotherapie, Physiotherapie, Sportwissenschaft und Psychologie arbeiten eng zusammen, rund 18 Personen sind Teil des Scobes-Team. Darüber hinaus spielt der Studiengang Informationstechnologie eine große Rolle.

Denn wesentliche Standbeine der Testmethoden sind die Technologien „Augmented Reality“ und „Virtual Reality“. Über eine spezielle Brille bekommen Testpersonen beispielsweise Aufgaben eingeblendet, die sie lösen müssen. Ihre Reaktionen darauf werden mit verschiedensten Sensoren gemessen und protokolliert. Teilweise geht es dabei um scheinbar triviale Tätigkeiten, wie etwa der Zubereitung eines Filterkaffees. Bei anderen Tests werden Zahlen über die Virtual Reality-Brille angeboten, welche Probanden anhand von Augenbewegungen verbinden müssen. Die aufgezeichneten Metriken werden daraufhin mit anderen Ergebnissen abgeglichen um eine mögliche Abweichung von der Norm festzustellen.

Sie sind zwischen 60 und 75 Jahren und wollen Ihre Denkleistung überprüfen?

Copyright: FH Joanneum

SCOBES AR sucht interessierte Personen, die im Rahmen einer großen Studie des Projektes mithilfe unterschiedlicher Tests und Fragebögen ihr Gedächtnis überprüfen möchten. Durch frühzeitige Maßnahmen, wie zum Beispiel Gedächtnisübungen, ist es möglich, die persönliche Denkleistung zu fördern und einer Gedächtnisabnahme entgegenzuwirken.

Für die Studienteilnahme erhalten Sie Sodexo-Gutscheine im Wert von 20 Euro und ein kostenloses ärztliches Beratungsgespräch.

Weitere Informationen zur Teilnahme finden Sie hier!


Projektleiter Staubmann ist optimistisch, dass schon bald niederschwellige, kostengünstige Tests zur Verfügung stehen werden, um ältere Menschen auf ein erhöhtes Demenzrisiko aufmerksam zu machen. Im besten Fall würde dies dazu führen, dass Menschen früher Präventivmaßnahmen (gesunde Ernährung, mehr Bewegung, kognitive Übungen etc.) tatsächlich ergreifen und die Zahl der Demenzfälle damit deutlich verringert werden kann.