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Analyse | Das ist das türkis-grüne Regierungsprogramm

Von der KLEINE-Redaktion , Design von Michael Sommer

Das türkis-grüne Regierungsprogramm gleicht weniger einem lauen Kompromiss in der Mitte, sondern vereint, wie es Sebastian Kurz am Mittwoch formuliert hat, „das Beste aus beiden Welten.“  Die grüne Handschrift ist in den Bereichen Umwelt, Klima, Transparenz, Entwicklungshilfe, Bekämpfung der Kinderarmut unübersehbar, während sich die ÖVP in der Migrations-. Wirtschafts- und Finanzpolitik durchgesetzt hat.

So hält die neue Bundesregierung am Nulldefizit, der Senkung der Körperschaftssteuer, der Steuerentlastung fest. Die Kontrolle der Außengrenze bleibt aufrecht, die umstrittene Sicherungshaft kommt. Das Kopftuchverbot wird auf 14 Jahre ausgeweitet, an den Studiengebühren wird nicht gerüttelt.

Einschneidend sind die Maßnahmen im Klimabereich. Österreich soll bereits 2040 klimaneutral werden. Konkret soll die Pendlerpauschale ökologisiert oder eine billiges, österreichweites Öffi-Ticket eingeführt werden. In staatsnahen Betrieben wird die Frauenquote auf 40 Prozent ausgeweitet, umfassend sind auch die Ausweitung der Prüfkompetenz des Rechnungshofes bei den Parteienfinanzen sowie staatsnahen Unternehmen (Senkung von 50 auf 25 Prozent Beteiligung).

Die wichtigsten Punkte hat die KLEINE-Redaktion für sie in 14 Themenblöcken zusammengefasst:

Das komplette Programm finden Sie hier: ZUM REGIERUNGS-PROGRAMM

#1 UMWELT

Der Schutz der Umwelt und eine starke Wirtschaft seien nicht als Widerspruch zu sehen, heißt es in der Präambel des neuen Regierungsprogramms. Entsprechend breit ist der Fokus, den die türkis-grüne Regierung und speziell das von Leonore Gewessler (Grüne) geführte Klimaministerium auf den Kampf gegen den CO2-Ausstoß legen will. Zwar haben die Verhandler das sensible Thema neuer (Öko-)Steuern formal umschifft, ausbleiben dürften entsprechende Veränderungen dennoch nicht. Die Bandbreite der Vorhaben reicht laut Programm von einer ökosozialen Steuerreform über Verbote fossiler Heizsysteme bis zu bundesweit einheitlichen und günstigeren Öffi-Tickets. Die 140-km/h-Teststrecken auf Autobahnabschnitten werden abgedreht.

Klimaschutz

Kernpunkt der Klimapläne von Türkis-Grün ist neben dem (auch von der Vorgängerregierung getätigten) Bekenntnis zu den Klimazielen von Paris eine deutliche Ansage: Österreich soll bis spätestens 2040 klimaneutral und damit Vorreiter in Europa sein. Das ist ein Jahrzehnt früher als bisher anvisiert und dürfte drastische Nachschärfungen von Maßnahmen und Zwischenzielen nach sich ziehen. Der Weg dahin soll neben einem Klima-Check für alle Verordnungen und Gesetze über ein neues Klimaschutzgesetz führen, in dem verbindliche CO2-Emissionspfade festgeschrieben sind. Österreich soll also ein virtuelles Kohlenstoff-Budget verpasst bekommen, das bis 2040 die gesamt zulässigen Emissionen beinhaltet. Mehr als diese Menge soll nicht mehr ausgestoßen werden. Wichtiger Baustein dafür ist eine (von den Grünen lange geforderte) „ökosoziale Steuerreform“.

Darin unter anderem vorgesehen: eine einheitliche Abgabe auf Flugtickets von zwölf Euro, eine weitere Ökologisierung der NoVA für neue Kfz sowie eine ökologischere Gestaltung von Pendlerpauschale und Lkw-Maut. Tendenziell dürften Vielfahrer also künftig stärker zur Kasse gebeten werden. Und: Auch für jene Bereiche, die bisher nicht dem europäischen Emissionsrechtehandel unterliegen, soll der CO2-Ausstoß ab 2022 nicht mehr kostenfrei sein. Die Bezeichnung „neue Steuern“ verwendet das Regierungsprogramm dafür bewusst nicht, stattdessen werden zwei Möglichkeiten ins Treffen geführt: Entweder wird ein eigenes, nationales Emissionshandelssystem geschaffen, über das CO2 einen Preis bekommt. Oder aber die CO2-Bepreisung erfolgt „über bestehende Abgaben“. Demnach sind Steuererhöhungen in bestimmten Bereichen also nicht ausgeschlossen, wobei betont wird, dass „für die Wirtschaft und für Private“ insgesamt keine Mehrbelastungen kommen sollen. Auf internationaler Ebene will sich Österreich zudem für europäische CO2-Zölle und eine Besteuerung von Kerosin und Schiffsdiesel stark machen.

Energie

Unverändert zum Programm der Vorgängerregierung bleibt das Ziel erhalten, Österreichs Stromproduktion bis 2030 bilanziell auf 100 Prozent erneuerbare Energieträger umzustellen. Bewerkstelligt werden soll das mit dem (längst fälligen) Erneuerbaren Ausbau Gesetz (EAG), das das bisher gültige Ökostromgesetz ablösen wird. Ebenfalls vorgesehen: Das von der ÖVP propagierte Ziel, das Land zur „Wasserstoff-Nation Nummer eins“ zu machen. Was Hunderttausende Österreicher treffen dürfte: Um den verschärften Klimazielen Rechnung zu tragen, soll 2035 das Aus für alle Öl- und Kohleheizungen kommen. Im Neubau sollen zudem bereits in fünf Jahren keine neuen Gas-Heizsysteme mehr erlaubt werden.

Verkehr

Der Regierung schwebt ein weitgehend stündliches, ganztägiges Öffi-Angebot in ganz Österreich vor. Kommen soll zudem ein „1-2-3 Österreich Ticket“, also ein einheitliches Tarifsystem in drei Zonen (ein Bundesland um einen Euro täglich, zwei Bundeesländer um zwei Euro und ganz Österreich um drei Euro), das über eine neue nationale Buchungsplattform erworben werden kann. Günstiger werden soll außerdem das Bahnfahren, indem die Energieabgabe auf Bahnstrom abgesenkt wird. Sowohl für den Nah- als auch für den Regionalverkehr will die Bundesregierung eine Öffi-Milliarde zur Verfügung stellen. Der Radverkehrsanteil soll von derzeit sechs auf 13 Prozent mehr als verdoppelt werden (bis 2025), im Gegenzug soll dem Tanktourismus und dem Lkw-Schwerverkehr aus dem Ausland der Kampf angesagt werden. Bei der öffentlichen Hand sollen emissionsfreie Fahrzeuge Standard werden. Die von der FPÖ betriebenen 140-km/h-Teststrecken sollen “umgehend” aufgelassen werden.

Natur- und Umweltschutz

Weniger Plastik, mehr Natur, lautet die Stoßrichtung des Regierungsprogramms in Sachen Umweltschutz. So sollen etwa mittels Förderungen wieder mehr Pfandflaschen in Verkehr gebracht werden, Plastikverpackungen sollen um 20 Prozent zurückgehen. Steuerliche Begünstigungen sind zudem für Reparaturdienstleistungen vorgesehen. Ein Schwerpunkt soll auch auf die Artenvielfalt gelegt werden. Eine Biodiversitätsstrategie soll den Artenschwund eindämmen, die Mittel sollen aus einem neu zu schaffenden Fonds kommen. Für Pestizide und Nitrate sollen neue, noch nicht näher definierte Reduktionsziele kommen, der Flächenverbrauch soll mit einer Bodenschutzstrategie auf netto 2,5 Hektar pro Tag eingeschränkt werden. Zudem sollen neue Nationalparks entstehen bzw. bestehende ausgeweitet werden. Wohnbaufördermittel gibt’s nach Vorstellung von Türkis-Grün künftig nur noch dann, wenn umweltfreundlich gebaut wird.

Von Günter Pilch

#2 INNERE SICHERHEIT

Migration und Integration

Die Bereiche Migration und Integration tragen klar die Handschrift der ÖVP. Lautstark war die Kritik der Grünen an der von Türkis-Blau geplanten Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU) und an der Sicherungshaft für Asylwerber gewesen. Dennoch kommt beides – mit leichten grünen Abschwächungen. Asylanträge sollen künftig schneller abgeschlossen werden, was ein Mehr an Personal möglich machen soll. Bei der Integration wird auf Deutschkenntnisse gepocht, die auch in Deutschklassen vermittelt werden sollen. Auch diese hatten die Grünen im Vorfeld kritisiert. Das Kopftuchverbot wird auf Schülerinnen bis 14 ausgeweitet. Besonders spannend: Sollte sich die Regierung im Fall einer erneuten Flüchtlingskrise nicht einig werden, kann das zuständige Ministerium eine Gesetzesinitiative im Alleingang im Parlament einbringen. 

Tempo bei Asylverfahren

Sechs Monate sollen Asylverfahren künftig durchschnittlich dauern, um die Grundversorgungskosten zu senken. Da es aktuell vor allem in der zweiten Instanz (im Bundesverwaltungsgericht) zu Verzögerungen kommt, soll hier das Personal zeitlich begrenzt aufgestockt werden. Auch die Entscheider im Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, die in erster Instanz über Asylanträge entscheiden, sollen künftig besser ausgebildet werden. Wohl auch aus dem Grund, dass derzeit ein beträchtlicher Teil dieser Entscheidungen vom Verwaltungsgericht aufgehoben wird.

Grünes Licht für Kickls umstrittene Betreuungsagentur

Die unter Türkis-Blau geplante Bundesagentur für Betreuungs-und Unterstützungsleistungen (BBU) kommt – mit einigen grünen Abänderungen. Hier wird künftig die Grundversorgung und Rechts- und Rückkehrberatung von Asylwerbern abgewickelt. Das hatte vor allem bei NGOs und Juristen für Kritik gesorgt. Die Grünen konnten hier einen neuen Qualitätsbeirat hinein verhandeln, der sich aus NGOs, Experten und Juristen zusammensetzen soll.

Umstrittene Sicherungshaft kommt

Personen, die eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellen, sollen künftig in Sicherungshaft genommen werden können. Ein Vorhaben der alten türkis-blauen Koalition, der von den Grünen scharf kritisiert worden war. Grüne Präzisierung: Ein besonderes Augenmerk solle dabei auf Verfassung und Menschenrechte gelegt werden.

Asylanträge an der Grenze

Damit sichere Drittländer Asylwerber nicht nach Österreich durchwinken, sollen Asylanträge bereits im Binnen-Grenzkontrollbereich gestellt werden. Damit soll wohl auch zügiger überprüft werden können, ob Österreich für das Verfahren überhaupt zuständig ist.

Rückführungen im Fokus

Aktuell scheitert die Rückführung vieler rechtskräftig abgelehnter Asylwerber daran, dass die Herkunftsländer diese nicht zurückhaben wollen. Hier erneuert die Regierung den bekannten Plan, entsprechende Rückführabkommen verhandeln zu wollen. Auch die Möglichkeit von Abschiebungen in sichere Drittländer soll geprüft werden.

Kopftuchverbot bis 14

Das von der ÖVP durchgesetzte Kopftuchverbot für Mädchen wird ausgeweitet: und zwar auf Schülerinnen bis zum 14. Lebensjahr. Damit wolle man junge Mädchen „stärken“.

Deutsch und Teilhabe für Integration

Die neue Regierung erwartet von neuen Österreichern Deutsch-Kenntnisse und Teilhabe am eigenen Integrationsprozess. Deshalb sollen neben den bereits existierenden verpflichtenden Werte- und Orientierungskursen auch die Deutschförderklassen weiter ausgebaut werden. Letztere hatten die Grünen scharf kritisiert. Ein entsprechender Zusatz für eine laufende wissenschaftliche Begleitung dieser Maßnahme findet sich im Programm. Ein neuer Fokus soll auf der Integration von Frauen liegen, die als „Multiplikatorinnen“ für Integration gesehen werden. Genauer hinschauen will man bei religiösen Bildungseinrichtungen – vor allen bei islamischen.

Erleichterungen für ausländische Fachkräfte

Bisher genießt diese Idee, qualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland anzulocken, wenig Beliebtheit. Große bürokratische Hürden werden hier seit Jahren bemängelt. Das Regierungsprogramm sieht hier eine Reform vor, so sollen die vielfach als zu hoch kritisierte Gehaltsgrenzen überarbeitet werden. Eine neue Plattform soll den Bewerbungsprozess schneller und transparenter machen.

Polizei

  • Die unter türkis-blaue Aufstockung der Polizei um 2.300 Planstellen wird fortgeführt
  • Das BVT soll „umfassend“ neu aufgestellt werden
  • Ein „Aktionsplan gegen Rechtsextremismus“ soll erarbeitet werden
  • Außerdem sollen „Vereine mit staatsfeindlichem Gedankengut“ (genannt sind etwa die Identitären) bekämpft werden
  • Das BVT soll wieder einen eigenen Extremismusbericht veröffentlichen müssen
  • Die Polizei soll eine zentrale Beschwerdestelle wegen Misshandlungsvorwürfen bekommen
  • Bei der Untersagung von Demonstrationen soll es schnellere Beschwerdemöglichkeiten geben

Von Christina Traar und Georg Renner

#3 WIRTSCHAFT

Finanzen und Steuern

Fazit vorab:  Einkommens- und Gewinnsteuern sollen sinken, aber die kalte Progression bleibt. Bei einer ökologisch-sozialen Steuerreform peilt man EU-weite CO2-Zölle an vor CO2-Steuern. Das Nulldefizit ist kein Staatsdogma.

Steuersenkung

Die Steuerquote “in Richtung  40 Prozent zu senken”, wird im türkis-grünen Koalitionsprogramm bekräftigt. Dafür werden fixe Senkungsziele für Einkommensteuer und Körperschaftsteuer angegeben:

  • Reduktion des Einkommensteuertarifs der ersten, zweiten und dritten Stufe: von 25% auf 20%, von 35% auf 30% und von 42% auf 40%
  • KöSt-Entlastung auf 21% (von derzeit 25%)

Allerdings ist nicht angegeben, wann diese Erleichterungen kommen sollen. Und es ist auch von einer Abschaffung der kalten Progression keine Rede, nur von „Prüfung einer Anpassung der Grenzbeträge für die Progressionsstufen auf Basis der Inflation der Vorjahre unter Berücksichtigung der Verteilungseffekte“. Womit der Finanzminister die KESt-Senkung bald wieder in der Kasse hat. Dafür wird der Gewinnfreibetrag auf 100.000 Euro ohne Investitionserfordernis erhöht.  Die Besteuerung des 13. und 14. Monatsbezugs bleibt begünstigt. Bauern können ihre Gewinne auf drei Jahre verteilen.

“CO2-Zölle”

Andere  Erleichterungen betreffen die Kapitalerstragsteuer für grüne Bonds, welche auch die ÖBFA auflegen soll:

  • KESt-Befreiung für ökologische bzw. ethische Investitionen

Dies weist auf die “Ökosoziale Steuerreform”, die aber bis auf eine mit 12 Euro pro Ticket festgelegte Flugticketabgabe noch vage bleibt (siehe das Kapitel Klimaschutz). Die Öko-Steuermaßnahmen soll erst eine Task Force bis 2022 erarbeiten. Inzwischen dränge man auf “CO2-Zölle” auf EU-Ebene.

Nulldefizit kein Staatsdogma

Bei den Staatsfinanzen will Türkis-Grün flexibler bleiben und nicht apodiktisch am Nulldefizit festhalten. Zwar bekennt man sich dazu, die Staatsschuldenquote in Richtung Maastricht-Ziel von 60 Prozent zu senken (2018 lag Österreich noch bei 74 Prozent). Doch einen ausgeglichenen Haushalt macht die Kurz-Kogler-Koalition “abhängig von konjunkturellen Entwicklungen und Erfordernissen”.  Undefiniert bleiben Anreize für private Pensionsvorsorge.

Casinos: Rien ne vas plus

Lehren zieht man aus der Casino-Affäre und will “die unterschiedlichen  Rollen des Finanzministeriums beim Glücksspiel entflechten – das bedeutet für die Staatsbeteiligung an der  Casinos Austria AG vermutlich rien ne va plus.

Von Adolf Winkler


Standort und Entbürokratisierung

Fazit vorab: Die To-Do-Liste von Türkis/Blau, selbst vielfach ein Erbe aus rot-schwarzen Zeiten, bildet auch für Türkis-Grün die Agenda. Nicht sehr ambitioniert wirken die Reformpläne in der Verwaltung, hier soll erst jedes einzelne Ministerium eigene Pläne vorlegen. Die Standortpolitik wird etwas grüner, EPUs und damit neue, digitalere Arbeitswelten bekommen einen höheren Stellenwert. Bemerkenswert: Die Staatsholding ÖBAG ist kein Reform-Thema für Türkis-Grün.

Fachkräfteoffensive

Einmal mehr nimmt sich eine Regierung die Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte vor. Diese wurde 2011 als Steuerungsinstrument für den Zuzug von Nicht-EU-Bürgern nach Österreich eingeführt, statt wie angepeilt 8000 Personen erhalten im Schnitt nur 2000 jährlich eine solche Rot-Weiß-Rot-Karte – zu wenig für den heimischen Arbeitsmarkt mit seinen Mangelberufen.

Einen Schwerpunkt will Türkis-Grün in einer “Gesamtstrategie zur Besetzung offener Fachkräftestellen” setzen – mit einem Fokus auf dem österreichischen Arbeitsmarkt. Eine Aufwertung der dualen Ausbildung und eine Modernisierung der Lehrberufe stand bereits unter Türkis-Blau auf der Agenda. Neue Lehrberufe sollen im Bereich Digitales und Klima/Umweltschutz geschaffen werden.

Standort- und Industriepolitik

Begleitend zur Klimastrategie soll eine “Standortstrategie Österreich 2040” entwickelt werden. Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Sozialpartner sollen Zukunftsbranchen identifizieren. Nationale Maßnahmen werden künftig mit ökologischen Leuchtturmprojekten am Green Deal der EU-Kommission ausgerichtet.

Innovativen Gründern will die neue Regierung die Schaffung einer Kapitalgesellschaft erleichtern – mit einer eigenen Kapitalgesellschaftsform. Zugleich soll die Bereitstellung von Risikokapital, dessen Fehlen in Österreich für Gründer oft ein Hindernis darstellt, verbessert werden: Mehr Anreize für privates Risikokapital, steuerliche Absetzbarkeit für Anschubfinanzierungen und die Ermöglichung innovativer Anlageformen für institutionelle Investoren sollen Österreich Start-up-freundlicher machen. Auch öffentliches Risikokapital soll gestärkt werden: Kontroll- und Entwicklungsbank können – mit privaten Investoren – Start-ups und KMUs mit bis zu 20 Millionen Euro Wachstumskapital finanzieren.

Kritische Industriezweige sollen besser geschützt werden, indem der Schwellenwert für die Genehmigungspflicht bei ausländischen Investitionen auf zehn Prozent gesenkt wird. Beachtliche Hürden baut Türkis-Grün für internationale Handelsabkommen der EU auf: Diese müssen “den hohen Standards der EU entsprechen”, dazu zählen Menschenrechte, Arbeitsrechte und Umweltinteressen.

Die staatlichen Beteiligungen, zusammengefasst in der ÖBAG, sollen “aktiv gemanagt” werden. Mehr findet sich im Regierungsprogramm zur österreichischen Staatsholding nicht.

Entbürokratisierung

Bei Türkis-Blau war Josef Moser noch als Reformminister angetreten, ohne jedoch Nennenswertes zu liefern. Die lange versprochene Staatsreform blieb jedenfalls aus. Nun findet sich der Punkt “Entbürokratisierung und Modernisierung der Verwaltung” auch im türkis-grünen Programm. Demnach soll jedes Ministerium “Pläne zur Steigerung der Effizienz und Qualität in der Verwaltung” im ersten halben Jahr entwickeln.

Die weiteren Punkte klingen eher unspektakulär: Von der “Gold-Plating”-Reduktion über die Digitalisierung des Dienstleistungsschecks bis zu Verfahrensbeschleunigung. Unternehmer wird es freuen, sollte das “Once only”-Prinzip Realität und Datenmeldungen zur Verwaltung verringert werden. Bemerkenswert: Die Veröffentlichungspflicht in Papierform der Wiener Zeitung wird abgeschafft – und damit eine wesentliche Finanzierungsquelle der Zeitung in Staatseigentum gekappt. Eine Uralt-Forderung der Wirtschaft findet sich ebenso: “Beraten vor strafen” soll für die Verwaltung zum Prinzip werden.

EPUs & KMUs

Gute Nachrichten für Gründer: Die GmbH light wird zur Standard-GmbH, das Mindeststammkapital sinkt auf 10.000 Euro. Daneben finden sich eine Reihe von Maßnahmen, die sich vor allen an Ein-Personen-Unternehmen (EPUs) richten: Von der leichteren Absetzbarkeit von Arbeitszimmern bis zur “Förderung des Prinzips ,Reparieren statt wegwerfen’ durch steuerliche und andere Anreizmaßnahmen.” Frauen als Unternehmerinnen sollen gestärkt, Betriebsübergaben erleichtert  werden – solche für ein Gros der kleinen und mittleren Unternehmern gefälligen Überschriften finden sich mehrfach.

Von Uwe Sommersguter


Digitalisierung und Innovation

Fazit vorab: Weiter wie bisher. 5G-Vorreiter werden, Digitalisierung der Verwaltung ausbauen. Neu: Öffentliche Daten zugänglich machen und eine Technologiefolgeabschätzung für öffentliche Projekte. 

Breitband und 5G

Das Regierungsprogramm schreibt hier den bereits beschrittenen Weg vor. Schon die 5G-Strategie der alten Bundesregierung sieht eine flächendeckende Verfügbarkeit von 5G-Internet bis 2025 vor. 

Diese Vorgabe wurde auch in die aktuelle Versteigerung der Frequenzbänder der Bereiche 700 und 2100 MHz eingearbeitet. Die Betreiber verpflichten sich dabei, dass bis 2023 mehr als 90 Prozent der Bevölkerung einen Zugang zu mobilem Internet mit einer Download-Geschwindigkeit von mindestens 30 Mbit/s hat. 95 Prozent müssen mit zumindest 10 Mbit/s versorgt sein. Bis 2025 steigen die Werte auf 93 und 98 Prozent. Das Ziel des Telekomregulators RTR ist dabei die Versorgung des sogenannten Siedlungsraums. Das beinhaltet nicht nur Wohngebiete, sondern alle Gebiete, in denen sich Menschen auch in ihrer Freizeit aufhalten. 

Mit dem 5G-Ausbau erledigt sich auch ein weiteres Vorhaben der neuen Regierung quasi von selbst: der Ausbau des Glasfasernetzes. Denn 5G-Antennen benötigen zwingend eine Anbindung an das Glasfaser-Netz. 

Digitale Verwaltung 

Auch hier werden bekannte Pfade beschritten. Die bereits bestehende Webseite oesterreich.gv.at und die dazugehörige App sollen zu einem umfassenden digitalen Amt ausgebaut werden. Hier ist noch viel zu tun, denn bisher beschränkt sich das Angebot auf die Änderung des Wohnsitzes. Um die Datensouveränität zu sichern, soll jeder Bürger ein eigenes Bürgerkonto bekommen. Auch Ausweise wie der Führerschein oder der Personalausweis sollen im “digitalen Amt” hinterlegt werden können. Die neue Regierung will darüber hinaus eine “Ö-Cloud” einführen. Internet-Nutzer sollen die Möglichkeit bekommen, Dokumente auf Servern in Österreich mit höchsten Datenschutzstandard abzuspeichern. 

Neue Gesetze bekommen einen “Digital-Check”. Es soll evaluiert werden, ob eine Automatisierung möglich ist und welche Auswirkungen ein Gesetz auf den Datenschutz hat. Deutliche Vorgaben gibt es beim Punkt zur eigenen IT-Infrastruktur des Staates. Hier soll eine Konsolidierung stattfinden. Die Regierung sieht ein Sparpotenzial bei Beschaffung und Software-Lizenzen. Das Bundesrechenzentrum, so etwas wie die IT-Abteilung des Staates, soll weiterentwickelt werden. 

Mit dem Schlagwort “Green IT” findet die Klimapolitik auch hier ihren Niederschlag. Die staatliche IT-Infrastruktur soll zu 100 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Auch vor den Kunstschätzen der Republik macht die Digitalisierung nicht Halt. Durch die virtuelle Darstellung von Sehenswürdigkeiten soll Österreichs kulturelles Erbe weltweit barrierefrei zugänglich gemacht werden. 

Open Data

Transparenz ist eines der großen Wahlversprechen der Grünen. Im Bereich Digitalisierung geht es hier vor allem um den massiven Datenschatz des Staates. Nachdem die Beschaffung und Verwaltung dieser Daten ja steuerfinanziert ist, fordern Aktivisten schon lange eine Freigabe jener Daten, die nicht personenbezogen sind. 

Die Verkehrsauskunft Österreich soll alle relevanten Verkehrsinformationen wie Ankünfte und Abfahrten von Zügen, Straßenbahnen und Bussen sammeln und offen zugänglich machen. Die neue Regierung will daher  eine Umsetzungsstrategie für das Prinzip “Open by Default” entwickeln. Es sollen sogar die Archive des Bundes digitalisiert werden. Auch die Transparenz in der Verwaltung soll erhöht werden. Unter anderem sollen die Daten zum Budget in einer maschinenlesbaren Form zur Verfügung gestellt werden. 

Zukunftstechnologie

Eines der größten Probleme für Start-ups in Österreich ist es, zu sogenanntem Risikokapital zu kommen. Schon bisher sind Bund und Länder über das aws oder die jeweiligen Wirtschaftsförderungsgesellschaften eine wichtige Stütze. Mit einem Technologie-, Innovations- und Wachstumsfonds sollen weitere Mittel lukriert werden, allerdings nicht ausschließlich aus der Staatskasse. Der Fonds soll “kofinanziert” sein. 

Ein neues Forschungs-Rechenzentrum und “Innovation Labs” an Bildungsstandorten sollen die Spitzenforschung ermöglichen und Auszubildenden einen Zugang zu innovativen Technologien bieten. 

Weiters soll ein Masterplan entwickelt werden für den Umgang mit Blockchain und Kryptowährungen. Es soll ein einheitlicher rechtlicher Rahmen geschaffen werden für Investitionen im Blockchain-Bereich. Außerdem sollen Anwendungsbereiche in der Verwaltung geprüft werden. Gleichzeitig ist eine klare Regulierung von Kryptowährungen geplant.

Datenschutz und Künstliche Intelligenz

Die Datenschutzgrundverordnung der EU gibt den Regierungen einen massiven Hebel, wenn es um den Schutz der Daten ihrer Bürger geht. Die Abwicklung der Beschwerden obliegt in Österreich der Datenschutzbehörde. Diese soll nun mit den erforderlichen finanziellen, personellen und materiellen Mitteln ausgestattet werden, um diese Aufgaben auch wahrnehmen zu können. 

Die Regierung will prüfen, ob eine eigene Stelle für Cybersicherheit eingerichtet werden soll – als Servicestelle für Verwaltung, Wirtschaft und Bürger. 

Im Regierungsabkommen ist auch eine Technikfolgeabschätzung vorgesehen bei Regulierungen mit einem gewissen Risiko wie selbstfahrenden Autos oder intelligenten Transportsystemen wie Lieferdrohnen.

Ein Grund für diese Forderung dürfte wohl die intensive Diskussion der vergangenen Jahre über Künstliche Intelligenz (KI) sein. Hier will die Regierung eine KI-Strategie erarbeiten, basierend auf dem Expertenbericht aus 2019. Gefordert wird darin vor allem eine “KI, die ethischen Ansprüchen folgt bzw. die nachvollziehbar arbeitet.” 

Die neue Regierung will klare Rahmenbedingungen für den Einsatz von KI-Systemen schaffen bei gleichzeitiger Wahrung der Menschenwürde. Die ethische Reflexion soll dabei ein immanenter Bestandteil der österreichischen KI-Politik sein. Auf EU-Ebene will sich die Regierung dafür einsetzen, dass so eine ethische KI ein Alleinstellungsmerkmal für Europa wird. 

Wenn der Staat eine KI einsetzt, dürfen Entscheidungen mit unmittelbarer Auswirkung auf Menschen auch nicht vom Computer getroffen werden. Die Schaffung KI-gestützter Waffen soll weltweit unterbunden werden.

Von Roman Vilgut

#4 LANDWIRTSCHAFT

Im ökologisch wie emotional sensiblen Bereich Landwirtschaft, der neuerdings von den Umwelt-Agenden getrennt ist, haben die türkis-grünen Verhandlungen zahlreiche Anleihen am zwei Jahre alten türkis-blauen Koalitionsabkommen genommen. Forderungen und Absichtserklärungen sind zum Teil sogar deckungsgleich jenem von 2017 – bisweilen aber konkreter ausformuliert. Hier die wichtigsten Punkte:

Kennzeichungs-Pflicht

  • So nimmt die neue Regierung nun nach 2017 einen zweiten Anlauf für eine bessere Kennzeichnung der Herkunft von Lebensmitteln.
  • War der erste Anlauf aber an zu strengen Hürden gescheitert, beschränkt man sich nun auf die verpflichtende Angabe der Herkunft nur bei den Primärzutaten Milch, Fleisch und Eiern – und zwar in der Gemeinschaftsverpflegung und beim Verkauf von verarbeiteten Lebensmitteln.
  • Direktvermarkter und Wirte sollen an einer freiwilligen Kennzeichnungs-Initiative mitmachen.

Bürokratie-Abbau

  • Ebenfalls bereits im letzten Regierungsabkommen zu finden gewesen: Der geplante Abbau von bürokratischen Hürden. Nun soll es wieder Vereinfachungen in der bäuerlichen Sozialversicherung und weitere Entlastungen bei Steuern und Abgaben (wie den dreijährigen Durchrechnungszeitraum für Gewinne) geben.
  • Was Kleinbauern vermutlich nicht schmeckt: Die Umsatzgrenze, ab wann ein Bauer buchführungspflichtig ist, soll auf 700.000 Euro angehoben werden.

Bio und Tiertransporte

  • Eher allgemein gehalten wurden von türkis-grün bekannte Forderungen nach dem Ausbau der Biolandwirtschaft.
  • Konkreter wird man bei der „Offensive zur Verbesserung des Tierwohls bei Tiertransporten“.
  • So sollen etwa Schlachttiertransporte in Länder außerhalb der EU verboten werden und Kälbertransporte reduziert werden.
  • Auch soll das Schreddern von lebendigen männlichen Küken in der Eierproduktion verboten werden.

EU-Förderungen „mindestens auf gleichem Niveau“

  • Derzeit wird in Brüssel die Verteilung des Agrar-Fördertopfes für die Jahre 2021 bis 2027 verhandelt (GAP). Und da wird sich zeigen, ob angesichts eines schrumpfenden Budgets (Brexit!) der Regierungsplan hält, Fördergelder „mindestens auf bisherigem Niveau“ für Österreichs Bauern zu sichern.
  • Sollte das nicht gelingen, ist ein “nationaler Ausgleich im Falle einer Kürzung von EU-Mitteln” geplant
  • Österreich will sich für eine Förderobergrenze von 100.000 Euro pro Betrieb einsetzen
  • Bergbauernförderung und nationales Umweltförderprogramm soll es weiterhin geben

Nein zu Mercosur

  • Die Regierung bleibt bei Österreichs bisheriger Linie: Handelsabkommen, die die hohen Standards der heimischen Lebensmittelproduktion unterlaufen könnten, werden abgelehnt.
  • Heißt konkret: Nein zum umstrittenen Südamerika-Pakt „Mercosur“.

Weniger Gentechnik

  • In diesem Punkt kommt die grüne Handschrift stärker zum Vorschein.
  • Denn während sich Österreich im Pflanzenbau schon seit Langem zur Gentechnik-Freiheit bekennt, werden insbesondere Schweine noch großflächig mit Gen-Soja aus Übersee gefüttert.
  • Geplant ist ein Aktionsprogramm für den schrittweisen Ausstieg von Gen-Futtermitteln in der kompletten Landwirtschaft – kombiniert mit der Strategie, Eiweißfuttermittel hierzulande anzubauen.

Kein Wort zu Glyphosat

Manchmal ist auch spannend, was in einem Regierungsprogramm NICHT drin steht. Setzte man sich im letzten Koalitionsabkommen noch ehrgeizige Ziele hinsichtlich Glyphosat-Reduktion, ist das umstrittene Pflanzenschutzmittel im türkis-grünen Abkommen nicht einmal erwähnt.

Von Ulrich Dunst

#5 SOZIALES

Pflege – Recht auf freien Tag im Monat

Die Herausforderungen sind unverändert: Zunehmend ältere Bürger benötigen andere Pflege, mehr Pfleger, mehr Mittel. Der 2018 angekündigte „Masterplan Pflege“ wurde nie fertig. Daher kündigt auch die neue Regierung eine Gesamtreform an, Personaloffensive inklusive. Eine neuartige Pflegeversicherung findet sich nicht. ÖVP-Handschrift hat der „Pflege-daheim-Bonus“ (1500 Euro pro Pfegebedürftige).
Schwerpunkte:

  • Pflege daheim forcieren: durch mehr (kostenlose) Beratung, Geld für pflegende Angehörige (Bonus), Ansprechpartner vor Ort, einen pflegefreien Tag im Monat.
  • Gemeinde-Pflegerinnen („Community-Nurses“) für 500 Gemeinden
  • Personalnot will man mit einer „Offensive für Pflegeberufe“ begegnen, die Ausbildung an den Bedarf („kein Abschluss ohne Anschluss“) koppeln. Parallel sollen alle Pflegeberufe in die Mangelberufsliste; die Pflegelehre kommen.
  • Palliativpflege und Hospiz sollen in die Regelfinanzierung.
  • Heuer erhöht und dann jährlich angepasst, soll das Pflegegeld ergänzt werden- Stichwort Demenzbewertung.
  • Relevant für alle Pläne: Eine Taskforce aus Bund und Ländern wird die Angebote und Finanzierungsströme überarbeiten.

Pensionen – eine Reform bleibt aus 

Es ist ein zumindest bemerkenswerter Satz, der sich gleich am Anfang des Unterkapitels zu Pensionen im Regierungsübereinkommen findet: „Wir brauchen keine grundlegende Neuausrichtung.“ Denn das österreichische Pensionssystem zeichne sich „durch Sicherheit und Klarheit aus“. Es wird lediglich Adaptionsbedarf gesehen – eine größere Pensionsreform hat sich die neue Regierung also nicht vorgenommen. Die nachhaltige Finanzierung soll sichergestellt werden und Maßnahmen, „die das faktische an das gesetzliche Pensionsantrittsalter heranführen“ umgesetzt werden.

Ein Fokus soll auf die Verringerung der Altersarmut gelegt werden, vor allem durch „Modelle partnerschaftlicher Aufteilung von Familienarbeit und Pensionsansprüchen“, wie es heißt. Auch über die Konsequenzen von Teilzeitarbeit und fehlenden Beitragsjahren soll künftig verstärkt informiert werden – dafür wird ein eigener Pensions-/Teilzeitrechner in Aussicht gestellt. Maßnahmen sind auch im Zusammenhang mit dem „automatischen Pensionssplitting“ geplant. Hier werden „praxistaugliche und faire Lösung für Patchwork-Familien“ in Aussicht gestellt. Auch eine „Aufteilung der zusammengerechneten Beitragsgrundlagen beider Elternteile und Gutschrift auf dem jeweiligen Pensionskonto zu jeweils 50 Prozent“ wird angeführt. „Freiwilliges Pensionssplitting“ soll in „in jeder Form der Partnerschaft (Ehe, eingetragene Partnerschaft, freiwillige Vereinbarung bei Lebensgemeinschaften“ möglich sein.

Das Pensionskapitel ist zudem deutlich von geplanten Maßnahmen im Bereich des Gesundheitsmanagements geprägt, „um das effektive Pensionsantrittsalter deutlich zu erhöhen: Menschen sollen in ihrer Arbeit gesund bis ins Pensionsalter kommen“, wie betont wird. Hier soll zum einen das Instrument der Altersteilzeit „in Hinblick auf Förderung und Erhalt der Gesundheit am Arbeitsplatz“ optimiert werden. Zudem sollen verstärkte Anreize für Betriebe forciert werden, um gezielt „Gesundheits- und Alter(ns)management zu betreiben, das Arbeitsumfeld altersgerecht und gesundheitsfördernd zu gestalten“.

Paket zur Armutsbekämpfung

Das Thema “Armutsbekämpfung” nimmt im Regierungsprogramm an mehreren Stellen eine gewichtige Rolle ein – ihm ist aber auch ein eigenes Kapitel gewidmet. Eine Schlüsselmaßnahme soll dabei eine Nachjustierung beim – erst von der Vorgängerregierung eingeführten – Familienbonus sein.

  •  So soll die Untergrenze des Familienbonus erhöht werden, von 250 auf 350 Euro pro Kind und des Gesamtbetrages von 1500 auf 1750 Euro pro Kind.
  • Niedrige Einkommen sollen zudem im Zuge der Steuerreform (siehe Kapitel Finanzen und Steuern) gestärkt werden – durch die Senkung des Eingangsteuersatzes bei der Einkommensteuer von 25 auf 20 Prozent.

Von Manfred Neuper

#6 GESUNDHEIT

Die Gesundheit ist nunmehr ein Unterpunkt im Themenfeld Soziale Sicherheit, die Schwerpunkte legt die zukünftige Regierung auf wohnortnahe Versorgung/ Aufwertung des Hausarztes und Vorsorgemedizin.

Versorgung & Ärztemangel

In zehn Jahren werden knapp die Hälfte aller Hausärzte in Österreich in Pension gehen, es droht ein Mangel an Allgemeinmedizinern. Am Land spitzt sich die Lage noch stärker zu, schon heute sind Kassenstellen nicht mehr zu besetzen. Daher sollen Stipendien für zukünftige Landärzte eingeführt werden, wie es sie bereits im Burgenland gibt. Medizinstudenten und Turnusärzte verpflichten sich dort im Gegenzug für ein monatliches Stipendium dazu, nach Abschluss ihrer Ausbildung für mindestens fünf Jahre als Hausarzt im Burgenland tätig zu sein. Wie das Stipendien-Programm österreichweit aussehen wird, bleibt abzuwarten.

Auch die geplante Einführung eines Facharztes für Allgemeinmedizin zielt darauf ab, den Beruf des Hausarztes zu stärken und für Medizin-Absolventen attraktiver zu machen.

Weitere Ansätze, um die Überlastung des Gesundheitssystems anzugehen und die wohnortnahe Versorgung außerhalb der teuren Spitalsambulanzen zu stärken: Primärversorgungszentren und andere Formen der Zusammenarbeit von Ärzten sollen ausgebaut, sogenannte Communitynurses etabliert und nicht-ärztliche Gesundheitsberufe gestärkt werden. Die Versorgung von psychisch Kranken ist in Österreich mehr als prekär – hier werden Verbesserungen versprochen.

Vorsorge

Mit der Präventionsstrategie nimmt sich die Regierung ein großes Wort vor: Prävention bedeutet, die Menschen gesund zu erhalten und nicht erst aktiv zu werden, wenn Lebensstil bedingte Krankheiten bereits voll ausgebrochen sind. Das Regierungsprogramm stellt „finanzielle und sachliche Anreize“ dafür in Aussicht, an Vorsorgeprogrammen für die eigene Gesundheit teilzunehmen. Diese Anreize sollen auch für Impfungen und Vorsorgeuntersuchungen gelten. Das heiße Eisen Impfpflicht greift die zukünftige Regierung nicht an – stellt aber das „Forcieren von Impfungen insbesondere für Mitarbeiter im Sozial-, Gesundheits- und Bildungsbereich“ in Aussicht.

Die Frauengesundheit wird im Programm speziell hervorgehoben – es soll nicht nur einen jährlichen Frauengesundheitsbericht geben, sondern auch das Thema Gender Medizin im Studium forciert werden. Auffallend ist, dass die türkis-blaue Kassenreform, die eine Zusammenlegung aller Gebietskrankenkassen, vor allem aber auch die Entmachtung der Arbeitnehmer in den Kassengremien gebracht hat, nicht angegriffen wird.

Weitere Punkte:

  • Ausbau der ambulanten Rehabilitation, die die stationäre Rehabilitation entlastet
  • Facharztoffensive für Kinderärzte, Augenärzte, Kinder- und Jugendpsychiater
  • Telefonische Erstberatung 1450 aufwerten und weiterentwickeln
  • Weiterentwicklung Mutter-Kind-Pass zum Eltern-Kind-Pass bis zum 18. Lebensjahr
  • Keine Ausweitung von Selbstbehalten für Arztbesuche im ASVG

Von Sonja Krause

#7 AUSSENPOLITIK

Die Außen- und Europapolitik bekommt einen humanitären und klimafreundlichen Anstrich. Österreich sieht sich als verlässlicher Partner, der aber selbst Initiativen anstoßen will. Die neue Koalition sieht das Land in einer Vorreiterrolle für den Klimaschutz und für den Schutz von Menschenrechten. Dafür sollen sogar Unternehmen in die Verantwortung genommen werden, dafür will die Regierung die Wirtschaft international stärker in Position bringen.

Europa

Das Zusammenwachsen Europas bleibt ein zentrales Element in der österreichischen Außenpolitik. Die EU soll sich Leuchtturmprojekten widmen wie etwa Migration, Digitalisierung, Forschung und Entwicklung sowie sozialer Zusammenhalt. Die EU soll vor allem eine Vorreiterrolle beim Klimaschutz einnehmen. Das dies explizit betont wird, zeigt den grünen Anstrich in der Europapolitik. Allerdings will man auch gegen all jene vorgehen, die sich nicht an die Gemeinschaftsregeln halten, das gilt sowohl für Einzelpersonen wie auch Staaten. Es wird allerdings auch herausgestellt, dass bei aller Stärkung der EU in zentralen Fragen die Souveränität nicht aufgeben werden darf. Das Grundprinzip der Subsidiarität hat Sebastian Kurz schon in seiner Vorgängerregierung betont. Gemeinsames Handeln dort, wo es einen Mehrwert bringt und größtmögliche Freiheit für die Mitgliedsstaaten bei Dingen, die sich regional oder national sinnvoller lösen lassen. Das ausgehandelte Abkommen mit Südamerikas Staatenbund Mercosur wird weiterhin abgelehnt. Gleichzeitig bemüht man sich um die Einführung einer Digitalsteuer und gibt den Westbalkanstaaten weiterhin eine klare Perspektive, dem Kosovo auch hinsichtlich einer Visa-Liberalisierung.

Welt

Die Außenpolitik setzt auf Kontinuität, will Österreich weiterhin verlässlicher Partner für die internationalen Organisationen sind. Wien strebt dafür auch einen nichtständigen Sitz im Weltsicherheitsrat an, möglichst 2027. Stärker unterstützen will man vor allem das UNHCR. Neu ist die herausgestellte Positionierung als Vorreiter beim Menschenrechtsschutz und in der Friedenspolitik. Dafür will man eine mehrjährige Strategie erarbeiten und auch prüfen, ob man die Unternehmen stärker in solchen Fragen in die Verantwortung nehmen kann. Das klingt nach einem ambitionierten Ziel, allerdings auch sehr vage. Ein überraschend neuer Punkt ist die Schaffung des Postens einer Klimabotschafterin oder eines -botschafters. Die Außenpolitik soll noch stärker als bisher die heimische Wirtschaft in den Fokus rücken. Ein Modell, das weltweit gerade Schule macht. Auch US-Präsident Donald Trump versteht Außenpolitik vorrangig als Werkzeug für seine Wirtschafts- und Handelspolitik. Afrika soll zudem stärker in den Fokus rücken.

Entwicklungszusammenarbeit

Die massive Kritik der Hilfsorganisationen an der mangelhaften Entwicklungszusammenarbeit Österreichs findet in dem neuen Regierungsabkommen seinen Widerhall. Hier ist die grüne Handschrift am stärksten außenpolitisch wiederzufinden. Dazu gehört das Bekenntnis zu einer Aufstockung der Gelder auf 0,7 Prozent des Bruttonationalprodukts. Ein Ziel, dem sich Österreich schon lange verpflichtet fühlt, aber nie wirklich erreicht wurde. Auch die Hilfe in den Krisenregionen soll verstärkt werden und das gilt vor allem für die beiden Hauptinteressenfelder Fluchtursachenbekämpfung und Klimaschutz. So wird der Anbau hitzebeständiger Getreidesorten und der Aufbau von Wasserversorgungssystemen ausdrücklich erwähnt, dabei will Österreich internationale Initiativen aktiv setzen und voranbringen. Zugleich will man die Hilfe für humanitäre Hilfe etwa für Flüchtlingslager in Krisengebieten substanziell erhöhen. Gleichzeitig will man aber alle Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit hin besser überprüfen.

Von Ingo Hasewend

#8 BILDUNG

Keine großen Überraschungen gibt es im Bereich Bildung, Wissenschaft und Forschung. Sowohl in den Schulen als auch Hochschulen wird das Thema Klima stärker verankert, Digitalisierung und Ausbau der Angebote (Ganztagsschule, Ferienbetreuung, Kindergärten) sind geplant. Die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik und die Geologische Bundesanstalt sollen zum nationalen „Zentrum für Klimaforschung und Daseinsvorsorge fusionieren.

Bildung

Das die Themenbereiche Bildung, Forschung und Wissenschaft nicht zu unüberwindlichen Hürden werden würden, war von Beginn an klar. Dennoch ist interessant, wie die Schwerpunkte verteilt sind und welche Vorhaben die Regierung ins Auge fasst.

Die Bildung (also Schulen) wird in die Schwerpunkte „Stärkung der elementaren Bildung“ (sprich: Kindergarten), „Deutschförderung im Bildungssystem“, „Schulorganisation“, „Stärkung der dualen Bildung“ und „Lebensbegleitendes Lernen“ unterteilt. Sind die letzten beiden Punkte eher sehr allgemein gehalten, sind die ersteren Punkte durchaus konkreter:

Ein Ausbau der Kindergartenplätze steht ganz zuoberst im Katalog, es sollen den Gemeinden mehr Mittel in die Hand gegeben werden. Auch in der neuen Regierung wird Deutschförderung ein wichtiges Anliegen sein – Deutschförderklassen bleiben.

Im Bereich der Schulorganisation fällt auf, dass „Klimawandel und ökologisch verantwortungsbewusstes Handeln“ zentral für künftige neue Lehrpläne sein soll. Jeder Schüler soll ein digitales Endgerät erhalten, eine Bildungscloud soll installiert werden. Kosten lassen will man sich schulisches Unterstützungspersonal, Kinder mit Förderungsbedarf werden einerseits in den Regelunterricht einbezogen, andererseits „wird eine qualitativ hochwertige Sonderpädagogik sichergestellt“, wie es heißt.

Speziell für die Bedürfnisse berufstätiger Eltern soll die Ferienbetreuung und der Sommerunterricht weiter ausgebaut werden. Auch „ganztägige Schulformen“ sollen „bedarfsgerecht“ ausgebaut werden. Religionsunterricht oder Ethikunterricht wird für alle Schüler Pflicht.

Wissenschaft

Im Bereich Wissenschaft ist eine Fortschreibung bisheriger Politik zu erkennen, größere Änderungen sind nicht geplant. Neben der Sicherung der Universitätsbudgets steht eine Reform der Kettenvertragsregelungen im Raum, was schon lange gefordert wurde. Auch in der neuen Regierung verbleiben die Studiengebühren, die aber im wesentlichen nur Längerstudierende und Ausländer zahlen müssen. Vage wird eine Entwicklung der Pädagogischen Hochschulen (PH) und der Fachhochschulen (FH) angedacht – von einer weitgehenden PH-Autonomie oder  Zusatzmitteln für die FH-Forschung ist jedenfalls nicht explizit die Rede.

Forschung

Ein lange gefordertes Forschungsfinanzierungsgesetz soll für Planungssicherheit sorgen. Auch in der angewandten Forschung soll eine Technologie- und Klimaoffensive den Wünschen beider Regierungsteile nachkommen, die Grundlagenforschung soll durch eine (schon länger angedachte) Exzellenzinitiative gestärkt werden. Ein eigenes “Austrian Micro Data Center” soll Zugriff auf bisher unzugängliche Datenbestände ermöglichen.

Interessant ist die konkrete Absicht, die Geologische Bundesanstalt und die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik zu einem nationalen Zentrum für Klimaforschung und Daseinsvorsorge zu verschmelzen. Immerhin wird seit gefühlt 50 Jahren versucht, die drei österreichischen Wetterdienste zu vereinen (Zentralanstalt, Flugwetter, Militärwetter).

Von Norbert Swoboda

#9 BUNDESHEER

Teiltauglichkeit und eine neue Strukturreform kommen

Das Bundesheer wird sich weiter von Panzern und Artillerie trennen. Tauglichkeitskriterien für Wehrpflichtige werden reformiert. Ob es wirklich mehr Geld gibt, lässt das Regierungsprogramm offen.

  • Neue Struktur 

Die finanzielle Situation und der Zustand des Bundesheeres erfordern laut der Regierung in erster Linie nicht mehr Geld, sondern „neue Konzepte für ein zukunftsträchtiges, modernes Heer“. Eine neuerliche Strukturreform steht ins Haus, außerdem werden (außerhalb der Truppe) Kostensenkungspotenziale gesucht. Mit Verweis auf die Reduzierung schwerer Waffengattungen in den letzten Jahrzehnten heißt es: „Diese Politik wird fortgesetzt.“ Seine Kernkompetenzen soll sich das Heer aber erhalten und diese entsprechend der wahrscheinlichsten Bedrohungsszenarien weiterentwickeln. Darüber hinaus soll sich das Bundesheer auf konkrete Schwerpunkte konzentrieren. Konkret genannt werden ABC-Abwehr, Cyberabwehr, internationale Friedenseinsätze, Assistenzleistungen bei Katastrophen, Drohnenabwehr und Blackout-Vorbereitung.

  • Grundwehrdienst 

An der Wehrpflicht wird nicht gerüttelt, es bleibt bei sechs Monaten Grundwehrdienst. Allerdings setzte sich die ÖVP mit ihrer Forderung durch, die Tauglichkeitskriterien zu überarbeiten. Neben den „volltauglichen“ wird es künftig auch „teiltaugliche“ Wehrmänner geben. Nur jene mit einem körperlichen oder geistigen Handicap sind vom Wehr- und Zivildienst befreit. Der Grundwehrdienst soll weiter attraktiviert und mit Ausbildungsinhalten fürs Leben angereichert werden – so etwa das Erkennen von Fake-News. Eine Erhöhung des Solds steht nicht im Programm.

  • Miliz 

Auch die türkis-grüne Regierung will den „verfassungsmäßigen Zustand“ des Bundesheeres wieder herstellen und eine gut ausgerüstete, einsatzfähige Miliz schaffen.

  • Jets und Hubschrauber

Die Regierung will die Luftraumüberwachung weiter sicherstellen und sucht dafür die „adäquate und kosteneffizienteste“ Lösung. Das lässt noch vieles offen. Die Alouette III Hubschrauber werden aber wie geplant ersetzt.

  • Auslandseinsätze

Das Niveau soll bei mindestens 1100 Soldaten im Ausland beibehalten werden. Ein ressortübergreifendes Auslandseinsatzkonzept wird angestrebt.

  • Krisenvorsorge  

Die Ausstattung der Pioniere soll verbessert, die Selbstversorgungsfähigkeit von Kasernen gestärkt werden.  Die Katastrophenschutzpläne werden überarbeitet, es gibt eine jährliche Katastrophenschutzübung. Und der Zivilschutz-Probealarm wird auch digital ausgelöst werden. Geprüft werden soll, ob Rettungsorganisationen Zugang zu Mitteln aus dem Katastrophenfonds bekommen können.

Von Wilfried Rombold

#10 JUSTIZ

Islamismus-Paragraph und Reform des Maßnahmenvollzugs

Um die Verfahrensabwicklung zu beschleunigen, soll die Justiz mehr Geld bekommen. Gerichtsgebühren sinken, Haftanstalten werden modernisiert. Politischer Islam wird zum Straftatbestand.

Strafgesetz 

Dem politischen Islam soll auch im Strafgesetz begegnet werden – sei es durch Ergänzung bestehender oder Schaffung neuer Tatbestände. Das Verbotsgesetz soll überarbeitet werden um damit auch dem Antisemitismus etwas entgegensetzen zu können. Generell soll das Strafrecht nach wissenschaftlichen Erkenntnissen ausgestaltet werden mit dem Ziel, Kriminalität zu bekämpfen und den Opferschutz zu stärken. 

Strafvollzug

Die Justizanstalten sollen baulich und technisch aufgerüstet werden um den zeitgemäßen Sicherheitsstandards zu entsprechen. Die Verbüßung der Haft in den Heimatländern soll weiter forciert werden. Beim Maßnahmenvollzug sind umfangreiche Reformen geplant, angefangen von den Rechtsgrundlagen bis hin zur Errichtung einer weiteren Sonderanstalt. Die Kapazitäten im Maßnahmenvollzug sollen erhöht werden, in der Justizanstalt Graz-Karlau wird ein baulich getrenntes Department errichtet.
Bei bestimmten Deliktsgruppen (Sexual- und Schwerverbrecher ausgenommen) wird geprüft, ob ein Anspruch auf bedingte Entlassung mit Auflagen möglich ist.

Gerichte

Die Regierung will den Bürgerinnen und Bürgern den Zugang der Justiz erleichtern. Gerichtsgebühren sollen gesenkt werden. In der gesamten Gerichtsbarkeit soll es bis Ende 2022 nur noch ein digitales Verfahrensmanagement geben. Die Staatsanwaltschaften sollen zur unabhängigen Ermittlungsarbeit gestärkt werden, die Korruptionsbekämpfung gestärkt werden.

Recht

Vor Hass im Netz sollen die Bürger noch stärker geschützt werden. Beim Familien- und Eherecht sind Weiterentwicklungen geplant.

Von Wilfried Rombold

#11 KULTUR

In der Präambel des Regierungsprogramms (Kurzfassung) kommt die Kultur bereits in der zweiten Zeile vor: Österreich sei „gerühmt für seine Kunst und Kultur“. Insgesamt nehmen Kunst, Kultur und Medien im türkis-grünen Übereinkommen allenfalls einen Nebenschauplatz ein. Festgeschrieben ist die Schaffung einer Bundesmuseums-Holding, die Einführung des Urhebervertragsrechts und die Stärkung des Stärkung der Gedenk- und Erinnerungskultur.

Die Schwerpunkte:

  • Österreichs Kunst und Kultur stärken und in der Welt noch sichtbarer machen.
  • Schaffung einer Bundesmuseums-Holding mit klar definierten wirtschaftlichen Aufgaben und Weiterentwicklung der Bundestheater-Holding GmbH.
  • Kulturelles Erbe sichern und weiterentwickeln.
  • Zeitgenössische Kunst und Kultur stärken.
  • Weiterführung und Ausbau Provenienzforschung.
  • Die richtigen Rahmenbedingungen für Kunst und Kultur in Österreich gewährleisten.
  • Einführung eines modernen Urhebervertragsrechts.
  • Weiterentwicklung der sozialen Absicherung der in der Kunst und Kultur Tätigen
  • Stärkung der Gedenk- und Erinnerungskultur und dem Dach des Parlaments

Auch zwei Kernthemen der künftigen Regierung – Migration und Klima – finden sich im Kulturprogramm wieder: „Dabei ist stets zu bedenken, dass künstlerische Positionen einen wichtigen Beitrag dazu leisten können, aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen wie etwa Klimawandel oder Integration im öffentlichen Bewusstsein zu verankern“.

Medienpolitik

In Bezug auf die künftige Medienpolitik fällt das Bekenntnis zum „unabhängig finanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk“ und die Forcierung der „Kooperation von ORF und Privaten“ auf. Darüber, wie diese Kooperation aussehen könnte, gibt das Regierungsprogramm keine Aufschlüsse. 

  • Österreichischen Medienstandort neben Internetriesen stärken durch die Weiterentwicklung von Förderungen, Anpassungen der E-Commerce-Richtlinie sowie Ermöglichung von wirtschaftlichen Kooperationen
  • Bekenntnis zu einem unabhängig finanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk.
  • Kooperation von ORF und Privaten forcieren.
  • Stärkerer Kampf gegen Hass im Netz und Schutz vor Desinformation
  • Reform der Verwertungsgesellschaften im Interesse der Künstlerinnen und Künstler sowie anderer Urheberinnen und Urheber

Von Daniel Hadler

#12 TRANSPARENZ

„Wir wollen keine gläsernen Bürgerinnen und Bürger, sondern einen gläsernen Staat“: Unter dieser Überschrift steht das Thema Transparenz als einer der Schwerpunkte des türkis-grünen Regierungsprogramms. Dementsprechend liest sich dieses Kapitel wie die bisher lange schubladisierte Wunschliste von Informationsfreiheitsaktivisten. Da viele Vorhaben hier im Verfassungsrang stehen sollen, bräuchte es aber die Zustimmung von SPÖ oder FPÖ.

Zum einen soll staatliches Handeln weit transparenter werden als bisher:

  • Abschaffung des Amtsgeheimnisses
  • Einklagbares Informationsfreiheitsrecht gegenüber Verwaltung, Gesetzgebung und Unternehmen der öffentlichen Hand
  • Pflicht zur aktiven Informationsveröffentlichung im Netz durch den Staat
  • Ausgenommen sind unter anderem Informationen, die Persönlichkeitsrechte verletzen würden
  • Der Rechnungshof soll schon Unternehmen ab 25% öffentlicher Beteiligung prüfen können
  • Stellenvergaben in der Führung von Unternehmen der öffentlichen Hand sollen transparent gemacht werden

Zum anderen sollen Parteien zu mehr Transparenz verpflichtet werden:

  • Der Rechnungshof soll umfassende Kontroll- und Einschaurechte bei den Parteifinanzen bekommen
  • Spenden ab 500 Euro sollen binnen 3 Monaten veröffentlicht werden müssen
  • Lücken und Umgehungsmöglichkeiten bei den bereits beschlossenen Parteifinanzierungsregeln sollen geschlossen werden
  • Personenkomitees für Kandidaten sollen sich beim Rechnungshof registrieren müssen
  • Inserate in Parteimedien sollen erfasst werde
  • Die bisher sanktionslose Verletzung mancher Finanzierungsregeln – etwa die verspätete Abgabe von Rechenschaftsberichten – soll unter Strafe gestellt werden

Von Georg Renner

#13 FRAUEN

In Bereich Frauenpolitik findet sich ein besonders überraschender Punkt im türkis-grünen Plan – eine 40-Prozent-Frauenquote für Aufsichtsräte in Unternehmen in öffentlicher Hand. Weiters soll das seit Jahren bemängelte Frauenbudget aufgestockt werden.

40 Prozent Frauenquote

Künftig sollen in Aufsichtsräten von Unternehmen, an denen die öffentliche Hand mit mehr als 50 Prozent beteiligt ist, 40 Prozent Frauen sitzen. Eine entsprechende Quote soll das garantieren, in börsennotierten Unternehmen werde man ebenfalls entsprechende Maßnahmen prüfen. Spezielle Förderprogramme sollen zudem mehr Frauen in die Unternehmerschaft locken.

Gewaltschutzzentren werden ausgebaut

Nach der hohen Zahl an Frauenmorden im vergangenen Jahr ist ein Ausbau bei den Gewaltschutzzentren sowie eine entsprechende Sensibilisierungskampagne vorgesehen. Für das Frauenbudget ist außerdem eine „substanzielle Aufstockung“ vorgesehen.

Von Christina Traar

#14 SPORT

Eine Sache wird sich auch unter der neuen türkis-grünen Regierung im Vergleich zum Vorgänger nicht ändern. Der Sport gehört weiterhin zu den Agenden des Vizekanzlers, auch wenn der nun Werner Kogler heißt und neben dem Sport auch Kunst und Kultur und die Beamten verantwortet.Und auch, wenn in der Kurzfassung Allgemeinsätze überwiegen, so kann man doch Ambition erkennen. Zumindest folgt das Programm in vielen Punkten den Forderungen der Bundes Sportorganisation (BSO), die 2,1 Millionen Aktive in diesem Land vertritt. 


Die wesentlichsten Punkte: 

  • Struktur- und Organisationsentwicklung im österreichischen Sport: Es ändert sich wenig an den bisherigen Zielsetzungen: Sport-Förderung soll einfacher und einheitlich werden, Professionalisierung und langwierige Förderpläne sollen bevorzugt behandelt werden – zugleich will man aber das Ehrenamt stärken, das für den Sport unverzichtbar ist.
  • Optimale Spitzensportlaufbahnen: Ebenfalls nicht neu ist der Plan, den Beruf “Sportler” künftig besser zu strukturieren bzw. zu unterstützen. 
  • Breitensport / Vereins- und Freizeitsport: Der vielleicht wichtigste Punkt: Die tägliche Bewegungseinheit für alle Schüler in Pflichtschulen soll (und wird hoffentlich) “ehestmöglich” umgesetzt werden, ebenso wurden erweiterte Gesundenuntersuchungen, Schwimmkurse und Bewegungsförderung am Arbeitsplatz vereinbart. 
  • Sportstätteninfrastruktur: Ein zwischen Bund, Ländern, Gemeinden und dem Sport abgestimmter Plan war bereits unter der Vorgängerregierung in Arbeit, er soll nun finalisiert werden. Neu ist, dass auch die Öffnung von Schulsportanlagen z.B. im Sommer dezidiert erwähnt wird – das wäre ein großer Wurf. 
  • Sportgroßveranstaltungen: Ein ebenso abgestimmter Plan soll Struktur in Bewerbungen und in tatsächliche Ausrichtung um Großveranstaltungen bringen – das wäre wünschenswert und zielführend. 
  • Gleichstellung: Ambitionierte Ziele: Gleichstellung von Prämien und Gehältern bei gleicher Leistung. Im Skisport schon Gang und Gäbe, im Fußball – abgesehen vom Nationalteam – wohl auf Vereinsebene nicht durchsetzbar. Wichtig ist, dass Gewaltprävention in der Trainerausbildung verankert werden soll. 
  • Inklusion und Integration durch Sport: Der Sport wirbt seit Jahren um Unterstützung für seine integrative Kraft – dass diese nun auch durch ein Regierungsprogramm gedeckt und um Inklusion erweitert wird, ist absolut zu begrüßen.

      Fazit: Selbst das von allen Seiten geforderte Berufssportgesetz findet sich in der Langfassung des Programms. Von „grünen Ansätzen“ bei der umweltgerechten Austragung von Veranstaltungen bis hin zum Anti-Doping-Kampf, E-Sports und der Förderung von Trendsportarten ist alles beinhaltet. Was fehlt, sind konkrete Ansätze zur Umsetzung – und die waren im organisierten Sport mit seinen vielen Verzweigungen in Körperschaften, Dach- und Fachverbände sowie Vereine immer besonders schwierig. Aber der Wille scheint vorhanden.

    Von Michael Schuen

    Das komplette Regierungsprogramm

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